Inmitten der klappernden Einkaufswagen und dem gedämpften Gemurmel im Supermarkt fühlt sich die warme Luft wie ein erdrückender Mantel an. Das grelle Licht der Neonröhren spiegelt sich in den glatten, weißen Regalen wider und lässt die knallbunten Verpackungen von Lebensmitteln und Haushaltsartikeln in einem fast surrealen Glanz erscheinen. Es ist Juli, Hochsommer, doch statt der gewohnten Urlaubsstimmung und den bunten Angeboten, die man normalerweise in dieser Zeit findet, ist eine angespannte Stille zu spüren. Kunden sind beschäftigt, abwägend, welche Produkte in den Einkaufswagen wandern sollten. Die Verlockung, Markenprodukte ins Warenkörbchen zu legen, wird für viele zu einem entbehrlichen Luxus.
Maximilian Müller, ein Großstädter in seinen Dreißigern, bewegt sich mit einem faltbaren Einkaufskorb durch die Gänge und bleibt bei einem Regal für Genussmittel stehen. Er betrachtet die Preise der Markenprodukte – die um 10 bis 15 Prozent gestiegen sind – und sieht dann die generischen Katzenfutter-Marken daneben, die oft nur einen Bruchteil kosten. Mit einem seufzenden Kopfschütteln greift er nach dem No-Name-Produkt. „Wenn man die Wahl hat“, murmelt er, während er die Tüte auf die anderen Lebensmittel im Einkaufskorb legt, „warum nicht sparen?“
Die inflationäre Entwicklung, die uns seit Jahren begleitet, hat nicht nur individuelle Kaufentscheidungen, sondern auch die gesamte Einkaufspsychologie verändert. In einer Zeit, in der die Lebenshaltungskosten durch steigende Energiepreise und anhaltende Lieferkettenprobleme in die Höhe geschnellt sind, setzen immer mehr Verbraucher auf Eigenmarken und Massenkäufe. Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts NielsenIQ macht der Anteil generischer Produkte mittlerweile über 30 Prozent in den Hauptkategorien der Lebensmittel aus – Tendenz steigend.
Doch warum ist das so? Der wirtschaftliche Diskurs krankt häufig an der Reduktion komplexer Zusammenhänge auf einfache Erklärungsmuster. Immer mehr Verbraucher befinden sich im Spannungsfeld zwischen Notwendigkeit und Moral – der Drang, Geld zu sparen, steht oft im Widerspruch zu einem tief verwurzelten Bedürfnis nach Qualität und Marke. Marken, die über Jahre hinweg Vertrauen und Loyalität aufgebaut haben, verlieren zunehmend an Glanz. Das macht sich nicht nur im Supermarkt bemerkbar, sondern auch im Online-Handel und in der Gastronomie, wo Großhandel und Bulk-Käufe einen unerwarteten Aufschwung erfahren.
Es gibt jedoch einen weiteren, weniger offensichtlichen Grund für diesen Umbruch: die veränderten Einkaufsgewohnheiten während der Pandemie. In den von Lockdowns geprägten Monaten gewöhnten sich viele Konsumenten daran, eigene Bedürfnisse neu zu hinterfragen und Prioritäten im Konsumverhalten zu setzen. Die große Relevanz von sozialen Medien und Online-Plattformen führte zu einer breiteren Diskussion über bewussten Konsum. Influencer und Blogger hoben oft die Vorzüge von generischen Marken hervor. Schleichend, fast unauffällig, wurde die Wahl der „Marke ohne Namen“ zu einem Zeichen von Cleverness und Modernität.
Doch diese Entwicklung hat auch dunkle Seiten. Im Schatten des Kaufrauschs lauert eine besorgniserregende Entfremdung von der Konsumgesellschaft – das einstmals hohe Bedürfnis nach Tradition und Qualität wird oft durch den puren Preis ersetzt. Die ehrbare Kunst des Einkaufens wird durch eine pragmatische Quotierung von Qualität und Preis verdrängt. Max Müller verlässt den Supermarkt mit seinem gefüllten Korb und einem eigentümlichen Brennen im Bauch. Ist er wirklich klüger in seiner Auswahl oder hat er einfach nur die Lust an einem bestimmten Lebensstandard aufgegeben?
Neben den generischen Marken wächst auch die Bewegung des Bulk-Shoppings – eine Antwort auf das Überangebot und die marginalen Gewinne. Möglichkeiten, Artikel in großen Mengen einzukaufen, ob bei Discountern oder über Online-Plattformen, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Familien und Einzelpersonen versuchen, durch den Kauf von Großpackungen nicht nur Geld zu sparen, sondern auch umweltbewusster zu leben. Es ist ein wenig paradox: Während Massenprodukte und Generika blühen, gibt es gleichzeitig eine Rückbesinnung auf regionale Produkte und gewachsene Strukturen. Der moderne Konsument ist ein Zerriss zwischen dem, was als „vernünftig“ gilt, und dem, was den eigenen Werten entspricht.
Wenn Maximilian Müller das nächste Mal durch die Gänge des Supermarkts schlendert, wird er an diesem glaubwürdigen Spannungsfeld zwischen Einsparung und Identität nicht vorbeikommen. Der Einkauf wird zum Ort des inneren Dialogs, ein Moment der Entscheidung, der weit über die reinen, greifbaren Produkte hinausgeht. Ob Discount oder Gourmet, egal wie einfach oder komplex, die Essenz des modernen Konsums bietet Einblicke in tiefere gesellschaftliche Strömungen – und vielleicht ist das der wahre Wert einer Veränderung, die uns alle betrifft.