Daimler Truck: Stolpersteine auf der Straße der Industrie
Der große Konferenzraum im Stuttgarter Hauptquartier ist gefüllt mit Vertreter*innen der Presse, die auf den Präsentationen, die für den heutigen Tag vorbereitet wurden, wie hungrige Raubtiere lauern. Die Lichter dimmen sich, und ein leicht nervöser, aber professionell wirkender Vorstandsvorsitzender tritt vor die Mikrofone. Die Stille ist fast greifbar, als er sich für die kommenden Minuten auf die Geschicke von Daimler Truck konzentriert.
Heute geht es nicht nur um Zahlen, sondern um eine Geschichte von unvorhergesehenen Wendungen und schlaflosen Nächten, die das gesamte Unternehmen betreffen. Erst im Mai hatte der Nutzfahrzeughersteller seine Prognosen für die kommenden Jahre stark nach unten korrigiert; dies war kaum ein hinnehmbarer Schlag, doch was jetzt folgt, ist ein weiteres Kapitel in einer Erzählung voller Unsicherheiten. Der Handelsstreit mit den USA, so erklärt der Vorstand, hat sich wie ein Schatten über die Pläne gelegt.
Die Frage, die in den Köpfen der Zuhörer schwirrt, lautet: Wie konnte es soweit kommen? Die Weltwirtschaft hat sich aus der Pandemie erholt – unzählige Menschen haben in den transportierenden Sektoren gearbeitet, insbesondere in der Logistik. Aber während die Treibstoffpreise steigen und die Volatilität an den Rohstoffmärkten ansteigt, wird die Luft für die Branche dünner. "Wir müssen realistisch sein", sagt der Vorstand, und das Publikum merkt, dass die Weichen nicht mehr in der Hand des Unternehmens liegen.
Bereits im Vorfeld der Pressekonferenz haben sich Nachrichten über schwächelnde Verkaufszahlen in den sozialen Medien verbreitet. Der weltweite Druck, nachhaltige Lösungen zu finden, scheint das Angebot und die Nachfrage aus dem Gleichgewicht zu bringen. Statt mit Innovation und Pioniergeist auf die Herausforderungen zu reagieren, hat das Unternehmen gezwungen durch bürokratische Hürden und wirtschaftliche Gegebenheiten eine Bremse eingezogen. Diese Entschlossenheit, dennoch weiterzumachen, zehrt – und nicht nur an den Nerven der Führungsetage.
Oberhalb der Straßen und Hochhäuser der Stadt erzählt ein immenser Lkw von Daimler die Geschichte von Arbeitsplätzen, Träumen und Herausforderungen. Hier stehen Fahrerinnen in den Werkstätten, während sie die neuesten Modelle warten; junge Mechanikerinnen, auf die die Branche angewiesen ist, um die Technik am Laufen zu halten. „Wir sind seit Jahren bei Daimler und glauben an die Marke“, sagt einer von ihnen, und für einen Moment blitzen Stolz und Besorgnis in seinen Augen. „Wir haben alles gegeben, aber was soll aus uns werden, wenn die Aufträge ausbleiben?“
Die neue, fokussierte Strategie des Unternehmens spiegelt den Kampf wider, den zahlreiche andere Akteure der Branche gerade durchleben. Mit einem massiven Schwenk in Richtung elektrischer Antriebe und einer größeren Verantwortung gegenüber Umwelt und Klima ist Daimler Truck in einem Transformationsprozess gefangen, der sowohl euphorisch als auch bedrückend ist. Viele hochkarätige Investitionen sind von der Hoffnung geprägt, die Welt zu revolutionieren – aber die Realität ist, dass viele dieser Visionen auf instabilen wirtschaftlichen Pfeilern stehen.
An einer anderen Stelle, am Rande eines übersichtlichen Parkplatzes, stehen Schilder, die mit Sprüchen wie „Jede Krise birgt neue Chancen“ werben. Ironischerweise bietet die Dialogkultur in der Belegschaft, die sich um nachhaltige Initiativen bemüht, Raum für kreativen Austausch, doch viele Stimmen fürchten, dass das nicht ausreicht, um die wirtschaftliche Unsicherheit zu vertreiben. Auf den Fluren des Unternehmens messen die technischen Ingenieure die Möglichkeiten neu – und stoßen dabei immer wieder auf die Herausforderung einer ungewissen Zukunft.
Es ist nicht nur der Handelsstreit, der sich wie ein Damoklesschwert über Daimler Truck abzeichnet: Auch geopolitische Spannungen und die Notwendigkeit, regulatorische Auflagen zu erfüllen, fügen zusätzliche Komplexität hinzu. Gespräche über Zulieferer und Rohmaterialien, über die Nachverfolgbarkeit von Bauteilen für emissionsfreie Fahrzeuge, führen zu schweißnassen Hemden und erschöpften Gesichtszügen. Eine neue Realität setzt sich durch: Risiko ist nichts, was man ignorieren kann.
Während des langen Nachmittags, an dem die Unternehmenssprecher sich Fragen der Journalisten stellen, wird bald offenbar, dass alle an den langfristigen Zielen festhalten. Dennoch tappt die Branche im Nebel. Eine Lobby, die gegen die Pläne für höhere Steuern und Klimaschutzvorschriften kämpft, ist gleichzeitig mit der Wahrheit konfrontiert, dass die Umweltressourcen auch für großflächige Produktionen endlich sind.
Daimler Truck steht an einem Scheideweg, und der Handelsstreit zeigt, dass Unternehmen zunehmend ihrer globalen Verantwortung ins Auge sehen müssen. Die klugen Köpfe um den Vorstandsvorsitzenden sind offenbar gewillt, an der Vision festzuhalten, aber es ist fraglich, ob das alle mit Überzeugung tun können.
Der Tag neigt sich dem Ende zu, und während die Journalisten ihre Notizen zusammenpacken, bleibt die Frage offen, ob Daimler Truck tatsächlich die Kurve kriegen kann – und ob es ein weiterer Schritt in der Geschichte eines Unternehmens ist, das immer wieder mit den Wellen des Wandels konfrontiert wird. Eindrücke von Hoffnung und Zweifel verweben sich hinter den Kulissen, und während die Motoren im Hintergrund wieder zu dröhnen beginnen, ist es klar: Die Straße wird länger und unvorhersehbarer.