Manchmal ist es nur ein kleines Detail – ein Zucken in der Mimik, ein kaum wahrnehmbarer Schnitt in der Frisur – das plötzlich alles verändert. Das kleine bisschen Auflehnung gegen die Zeit, gegen die Gewohnheit, gegen das gewohnte Bild, das wir von jemandem haben. So ein Moment ist jetzt gekommen. Und er hat den Namen Brad Pitt.
Nicht mit der gewohnten makellosen Rasur oder dem seit Jahrzehnten bewährten strengen Schnitt, der ihn so häufig wie ein Hollywood-Klassiker erscheinen ließ. Nein, diesmal ist es der Schnurrbart, der uns auffordert, genauer hinzusehen. Kein zaghafter, kaum vorhandener Flaum, der sich ängstlich hinter dem Mundwinkel versteckt, sondern ein voll ausgeprägter, sattes Oberlippenhaarwerk. Ein richtiges Statement, einer, das an Tom Sellecks berühmte Mähne erinnert – der Quintessenz der 70er-Jahre-Männlichkeit.
Was auf den ersten Blick retro wirkt, trägt bei Brad Pitt eine andere Schwere. Es ist kein bloßes Cosplay vergangener Tage, kein nostalgisches Spiel mit dem Stil der alten Zeiten. Es ist eine sorgfältig austarierte Pose, ein Bild, das gleichsam provoziert und verführt. Wer von uns hätte gedacht, dass ein Schauspieler, der bereits eine halbe Ewigkeit von den Glamourfronten Hollywoods abblendet, und zwar mit einem Alter jenseits der 60, noch einmal so viel über das Spiel mit Maskulinität erzählen könnte?
Dieser Schnurrbart ist kein flüchtiges Trendaccessoire, das man im Vorübergehen aufsetzt, um Instagramalgorithmen zu gefallen. Nein, er ist perfekt getrimmt, akkurat geführt, ohne jeden Stoppelansatz, der die Eleganz trügen könnte. Brad Pitt, so sah man ihn vor wenigen Tagen am Set von „The Adventures of Cliff Booth“, wirkte nicht mehr nur wie der lässige Darsteller aus der Nachbarschaft. Er war kaum noch vom Miami-Mafioso der Filmgeschichte zu unterscheiden, der in seinen goldenen Anzügen und mit seinem dichten Schnurrbart die Macht besitzt, mit einem Blick die Szenerie zum Schweigen zu bringen.
Der Film, der als Spin-off von Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in… Hollywood“ erwartet wird, scheint dem Retro-Genre Tribut zu zollen – eine Reminiszenz an die Zeit, in der das Heldentum noch in kantigen Gesichtern steckte und weniger in digitaler Perfektion. Dieses Bild eines abgeklärten, aber charmant gefährlichen Mannes, das mit Burt Reynolds, Charles Bronson oder Sam Elliott assoziiert wird, lebt in Pitt wieder auf. Leider ziehen sich solche Stile oft in die Vergangenheit zurück, denn in der modernen Welt werden breite Schnurrbärte rastlos zu hippen Modischemata – mal da, mal weg. Doch hier scheint sich mehr anzubahnen als das übliche Pendeln der Trends.
Vielleicht ist es die seltsame Kraft der Nostalgie, die gerade wieder Einzug in die Männergarderoben hält. Flared Trousers, Cowboy-Stiefel, und jetzt eben auch: der Schnurrbart – plötzlich tauchen diese Symbole im modischen Gedächtnis wieder auf und schicken Signale an eine Welt, die sich zwischen Digitalität und Schlagfertigkeit verliert. Zwischen dem Wunsch nach Authentizität und dem Drang zum Narzissmus. Brad Pitt, der längst niemandem mehr etwas beweisen muss, komponiert hier eine neue Erzählung mit einem sehr alten Instrument.
Ob der Schnurrbart es ins endgültige Bild von „The Adventures of Cliff Booth“ schafft, bleibt abzuwarten. Aber die Botschaft steht schon jetzt: Ein richtig guter Schnurrbart ist mehr als nur ein Ausdruck von Stil – er ist ein Statement. Ein stiller Angriff auf das Gewohnte, ein funkelnder Blick zurück in Zeiten, in denen die Männlichkeit mit Bartstoppeln und dunklen Blicken gemessen wurde. Ein klares Bild davon, wie man selbst inmitten der Gegenwart, mit all ihrem Brimborium und allen Trends, sich neu erfinden kann, ohne sich zu verbiegen.
So steht da nun also Brad Pitt, älter, reifer, mit diesem Schnurrbart, der mehr sagt als tausend Worte, und fordert die Welt auf, genau hinzusehen. Ein kleines Detail – und doch so viel mehr.