Es ist ein stiller, schwüler Morgen am Tempel Uluwatu, hoch oben auf der südlichen Spitze Balis, wo sich die steilen Klippen dramatisch ins glitzernde Meer stürzen. Die Sonne, noch nicht voll entfacht, wirft goldene Streifen auf die jahrhundertealten Mauern, gesäumt von leuchtendem Jasmin und Bougainvillea. Touristen schlendern ehrfürchtig umher, Smartphones in der Hand, bereit, die heilige Atmosphäre für Instagram festzuhalten. Noch ahnen sie nicht, dass sie hier nicht nur auf spirituelle Begegnungen, sondern auch auf vierbeinige Trickbetrüger stoßen werden, die ihre Wertsachen stehlen – und gegen mangos eintauschen.
Diese Berichte von Affenbande und Diebstahl in Bali sind längst kein Geheimnis mehr, doch die Szenerie entfaltet erst im genauen Hinsehen ihre eigentümliche Komplexität. Die Langschwanzmakaken von Uluwatu, zierlich und blitzschnell, leben in dieser anthropozentrischen Welt buchstäblich zwischen zwei Welten. Für die Besucher sind sie meist lediglich exotische Attraktionen, zum knipsen und füttern, für die Affen jedoch sind die Touristen wandelnde Geldquellen – oder wie man hier sagt: wandelnde Kornfelder voller Äpfel und, leider, auch iPhones.
Mit einer Mischung aus Faszination und leichter Verstörung beobachtete ich, wie eine graue, ungepflegte Makakin mit glühend schwarzen Augen zielgerichtet auf eine junge Frau zueilte, die eifrig Selfies schoss. Ein umherstehender Guide warnte rasch, doch zu spät: Blitzschnell riss das Geschöpf ihr das Handy aus der Hand, hangelte sich auf einen nahegelegenen Baum und begann, das glänzende Objekt neugierig zu beäugen. Ein murmeln ging durch die Menge, halb erschrocken, halb amüsiert. Später sah ich den Affen mit seltsam stolzer Miene in der Sonne sitzen, das gestohlene Smartphone in den Händen – und neben ihm: eine mangofarbene Frucht, seltsam saftig und leuchtend. Es war kein Einzelfall, sondern ein bizarrer Deal, der sich hinter den Kulissen abspielt.
Wie ein kleines Schwarzes Brett der Natur funktioniert dieses Tauschgeschäft zwischen Mensch und Tier: Die listigen Affen „erbeuten“ nicht nur Gerätschaften, Schmuck und Essbares, sondern scheinen eine Art von Handel etabliert zu haben. An einigen Ständen rund um den Tempel lassen sich Mangos kaufen – und es ist nicht ungewöhnlich, Beobachtern zufolge, dass die Affen diese Früchte gezielt dafür nutzen, ihre „Beute“ gegen eine Art Affenwährung einzutauschen. Ein heimlicher Handel, eine stillschweigende Übereinkunft zwischen den chaotischen Widersprüchen von Tourismus und Tierwelt.
Doch was verrät dieser subtile Affenhandel über das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Kultur an Orten wie Uluwatu? In den ersten Momenten wirkt es wie eine Komödie: Affen, die Smartphones kapern und gegen exotische Früchte eintauschen, ein modern-archaischer Umschlagplatz für fremde Welten. Doch je länger man beobachtet, desto mehr wird klar, dass hier etwas zutiefst Menschliches reflektiert wird – unser Verhältnis zu Besitz und Verlust, zum Fremden und Vertrauten, zur Illusion von Kontrolle in einer chaotischen Umwelt.
Der Tourist, der tief in die Fotografie versunken ist, sieht im Affendiebstahl eine charmante Anekdote, vielleicht eine Geschichte für die Familie. Doch für die Einheimischen ist es eine Alltagserfahrung mit ambivalentem Charakter. Die Affen sind Teil des spirituellen Tempelkomplexes und gleichzeitig eine Belastung, die wirtschaftlichen Druck auf die Gemeinschaft verstärkt. Tourismus bringt Geld, aber auch Durcheinander; Schlichtung und Konflikt, ein fortwährender Tanz.
In jener balinesischen Morgenluft mischen sich die Gerüche von Räucherstäbchen mit dem Aroma von reifen Mangos, während die Affen ihre Diebeszüge studieren und die Besucher zwischen Glück und Verdruss taumeln. Es ist ein Moment, in dem Zeit stehen bleibt, in dem flüchtige Begegnungen das komplexe Geflecht einer Welt offenbaren, die sich weder mit Technologie noch mit alten Glaubensritualen allein erklären lässt.
Vielleicht steckt ja im Affendiebstahl an Uluwatu ein Sinn, der sich nicht gleich in Schlagzeilen fassen lässt – eine Mahnung, dass wir nicht die eigentlichen Herrscher dieser Insel sind. Sondern nur Gastgeber in einem Spiel, in dem die wahren Meister flink, verspielt und überraschend geschickt mit unseren Erwartungen jonglieren. Und in dessen Regeln manchmal der Tausch von iPhones gegen Mangos zu einer ebenso natürlichen wie absurder Realität gehört.