In einer Welt, in der historische Figuren auf Bildschirmen wiederauferstehen, liegt die Versuchung nahe, nicht nur ihre Geschichten zu erzählen, sondern auch ihre äußere Erscheinung bis ins kleinste Detail nachzuempfinden. Gerade bei einer Ikone wie John F. Kennedy Jr., dessen Stil legendär ist und dessen maßgeschneiderte Armani-Anzüge Männern heute noch als Maßstab dienen, ist die optische Umsetzung eine Gratwanderung zwischen Nachbildung und Interpretation. Doch was passiert, wenn die Kleidung, mit der eine Figur verkörpert wird, weder die Vergangenheit voll umfänglich einfängt, noch eine glaubwürdige Gegenwart formt? Diese Frage stellt sich zwangsläufig bei der FX/Hulu-Serie American Love Story, die versucht, dem Glanz der Kennedy-Dynastie auf die Spur zu kommen – und dabei an ganz anderer Stelle stolpert.
Sebastien Sebag-Montefiore, ein Kenner der eleganten Schnittkunst und selbst eine Art stilistischer Sherlock Holmes, schaut mit einem fast schon wohlwollenden Kopfschütteln auf die Kostümwahl der Serie. „Haben sie denn überhaupt irgendetwas richtig gemacht?“ wird er gefragt. Die Antwort ist knapp: „Nein. Obwohl, ich glaube, sie sind wenigstens beides Anzüge.“ Ein eher dürftiges Lob, das die Diskrepanz zwischen dem Anspruch und der Realität auf den Punkt bringt. Kelly, die Schauspielerin im Kostüm, trägt ein Ensemble, das sich zaghaft JFK annähert – ein subtiler Verweis im Revers, eine etwas stärker gepolsterte Schulter hier –, doch es bleibt eine halbherzige Hommage, die zwischen den Zeiten zu schweben scheint.
Der Anzug soll mehr sein als nur ein Stück Stoff – er ist Ausdruck einer Haltung, eines Gefühls von Präsenz, Selbstbewusstsein und einer bestimmten Art von zeitloser Eleganz. Doch hier prallt die Serie gegen ein Problem: Es fehlt die „full-chested commitment“, also die überzeugte Geste, die diesen Anzug zum Charakter macht. Es ist weder das ikonisch luftige, leicht lässige Volumen der Neunziger Jahre, das JFK auf einen Blick als Gentleman seiner Zeit ausweist, noch eine moderne Interpretation, die kontemporär und authentisch wirkt. Man ahnt, dass hier eine Berührung mit Geschichte nur angedeutet wird, ohne sich ihr wirklich zu öffnen.
Mich erinnert das an Momente, in denen historische Dramen auf der Leinwand zum seichten Popcorn-Kino werden, für die das Original nur noch eine Art Verkleidung ist – eine Schale, die gefüllt wird mit den Erwartungshaltungen eines Publikums, das vielleicht eher Suits oder andere zeitgenössische Serien als Referenz hat. „Wenn du es neben Harvey Specter stellst, dann ist es durchaus ’90er,“ sagt Sebag-Montefiore. „Aber neben John F. Kennedy Jr., da hat es nicht den gleichen Charme, die gleiche Ausstrahlung.“ Harvey Specter, Hollywoods Inbegriff des scharfen, maßgeschneiderten Anzugs, steht hier als moderner Gegenpol zu einem Mann, dessen Eleganz in der Unaufgeregtheit, in der Balance von Lässigkeit und Autorität liegt.
Vielleicht ist gerade diese Diskrepanz ein Spiegel unserer Zeit. Schauspiel und Kostümdesign balancieren zwischen Authentizität und Dramaturgie, zwischen historischer Genauigkeit und einem Erzählfluss, der die Zuschauer fängt – und dabei nimmt die absolute Treue oft einen unsichtbaren Kniefall vor dem „Streamerblick“. Sebag-Montefiore vermutet sogar, dass die Anachronismen bewusst gewählt sind: „Viele Kostümdesigner wissen sehr genau, was sie tun. Es geht darum, einen Kompromiss zu finden zwischen historischer Wahrheit und dem, was der Zuschauer als glaubhaft wahrnimmt.“ In einer Ära, in der Serien in ihrer Masse über uns hereinbrechen und kurze Aufmerksamkeitsspannen regieren, wird oft der Faktor Verkostbarkeit wichtiger als das Gespür fürs Detail.
Das macht die Serienkostüme nicht per se schlecht, eher symptomatisch für eine Kultur, deren kollektive Verankerung in der Vergangenheit brüchiger wird. John F. Kennedy Jr., der Sexiest Man Alive, der Sohn eines Präsidenten, dessen modische Ikone noch immer einen gewissen Kultstatus mit sich trägt, wird zu einer Referenz, die vielen jüngeren Zuschauern fremd ist – eine quasi mythische Figur, die man nur noch in Fragmenten kennt, und deren Stil so nicht mehr unmittelbar erfahrbar ist.
Es ist, als ob der Maßanzug zum Symbol für etwas Größeres würde: Nicht nur für männliche Eleganz, sondern auch für den schmalen Grat zwischen Erinnerung und Vergessen, zwischen wahrer Identität und ihrem Abbild. Und gerade in dieser Unschärfe entfaltet sich ein stiller Konflikt: Wie viel Nostalgie darf sein, wie viel künstlerische Freiheit verträgt Geschichte? Vielleicht ist das halbherzige Anzweifeln, das Fehlen des vollen Bekenntnisses zum Stil, genau das, was von der Figur bleibt, wenn sie durch die verklärte Linse unserer heutigen Sehgewohnheiten betrachtet wird.
Man könnte sagen, dass die Serie mit ihren Anzügen eher ein Spiegelbild der Gegenwart ist als eine präzise Nachbildung der Vergangenheit – eine modische Allegorie auf einen Zeitgeist, der Traditionen zwar anerkennt, sie aber unwillkürlich in neue Formen presst. Und vielleicht sind die Stücke, die so entstehen, weniger schlimm als eine allzu übertriebene Nachbildung. Denn wer trägt schon gerne einen Anzug, der nur eine leere Hülle ohne Seele ist? Am Ende klingt Sebag-Montefiores Schlusswort fast schon versöhnlich: Man müsse die Kostümgestaltung auch als Kunst betrachten, die zwischen Geschichte und Publikum vermittelt – und manches sei eben Absicht.
So hinterlässt American Love Story mit seinen Anzügen eine zwiespältige Erinnerung – ein bisschen zu viel Echo der Vergangenheit, zu wenig echte Stimme. Doch vielleicht ist auch darin etwas wahrhaft Zeitgenössisches enthalten: Die Suche nach Balance in einer Welt, die sich immer schneller dreht und die schwer zu fassenden Schatten der Geschichte neu ordnet. Ein Anzug, der weder ganz JFK Jr. noch ganz Steve Harvey Specter ist, sondern irgendwo dazwischen schwebt – wie die Erinnerung selbst, die nie genau greifbar ist, sondern immer eine Mischung aus Wirklichkeit und Wunsch bleibt.