Kollaps oder Neubeginn? Die Zukunft von DB Cargo im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Menschlichkeit
Wenn der Zug in die Abfertigungshalle rollt, knirscht der Kies unter den Rädern, und der Geruch von frischem Schienenöl vermischt sich mit der coolen Morgenluft. Der große, rostige Kran, der in einem abgerockten Teil des Güterbahnhofs steht, ist ein Überbleibsel aus besseren Zeiten. In den letzten Jahren wurde viel darüber diskutiert, wie die Deutsche Bahn ihre Gütersparte, DB Cargo, ins digitale Zeitalter überführen kann. Aber im Schatten dieser Diskussion entfaltet sich eine andere Realität – eine der Unsicherheit, der Proteste und der menschlichen Schicksale.
Hier, in einem der unzähligen Güterzentren, steht das Unternehmen an einem Scheideweg. Insbesondere die angekündigten Kürzungspläne, die eine massive Restrukturierung der DB Cargo nach sich ziehen sollen, haben die Gewerkschaften in Aufruhr versetzt. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kündigte an, den plötzlichen Umbau der Gütersparte mit aller Kraft zu bekämpfen. Die Pläne sehen nicht nur Stellenkürzungen vor; sie verwischen auch die Grenzen zwischen Effizienz und Jobabbau, zwischen technologischem Fortschritt und menschlichem Verlust.
In einem beschaulichen Büro in der Nähe des Güterbahnhofs, wo das Licht durch staubige Fenster flutet, sitzt ein Gewerkschaftsvertreter, der sichtlich angespannt ist. Thomas, ein Betriebsrat und seit über einem Jahrzehnt für die EVG aktiv, spricht über die wachsende Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern. „Man spürt die Angst. Die Leute wissen nicht, ob sie nächstes Jahr noch einen Job haben“, sagt er. Seine Stimme, normalerweise fest und bestimmt, verrät einen Hauch von Besorgnis, der den Raum erfüllt.
„Die Restrukturierung ist nicht nur eine ökonomische Notwendigkeit“, fährt er fort, „sie ist ein Angriff auf die Identität vieler Mitarbeiter. Wer bei DB Cargo arbeitet, ist nicht nur ein Rädchen im Getriebe – das sind Menschen, die ihr Leben in diese Arbeit investiert haben.“ Der Umbruch wird oft nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht diskutiert, als sei die Realität der Menschen, die im Schatten der Schienen leben, irrelevant.
In der Ferne vernimmt man das Geräusch eines Güterzuges, der in der Dämmerung seine Reise antritt, und es ist, als würde der Klang der Lokomotive die Sorgen der Arbeiter verstärken. Das Pendel der Unsicherheit schwingt in beide Richtungen. Auf der einen Seite stehen wirtschaftliche Notwendigkeiten und die Forderung nach einer effizienteren Logistik. Auf der anderen Seite der unsichtbare, aber spürbare Schock derjenigen, die die Konsequenzen der Entscheidungen am eigenen Leib zu spüren bekommen werden.
Vor einer Woche in Berlin, achtet ein Sammlung von Gewerkschaftsvertretern und Betroffenen auf die Eröffnungsansprache eines Mitglieds des DB-Vorstands. „Wir müssen wettbewerbsfähig bleiben, das ist unsere Pflicht“, erklärt er mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der schon viele Stürme überstanden hat. Aber in den Reihen der Zuhörer wird geflüstert, Skepsis schwebt wie ein Schatten.
„Es ist immer der gleiche Trope“, murmelt eine ältere Frau, die seit 30 Jahren in der Logistikbranche arbeitet. „Wir müssen uns anpassen, Wettbewerbsfähigkeit, digitale Transformation – aber was ist mit uns?“ Ihre Augen strahlen eine Mischung aus Worte und Enttäuschung aus, während die Worte in der Luft hängen. Die Parallelen zur Arbeitswelt im Allgemeinen sind nicht zu übersehen: Effizienz steht oft über Menschlichkeit. In der Region, wo Bahn und Leben miteinander verwoben sind, wird diese Wahrheit nun unbearbeitet auf das Tageslicht geworfen.
Schauplätze wie dieser, an denen die Geister der Vergangenheit und die Zukunftsängste aufeinanderprallen, sind weit verbreitet in ganz Deutschland. In zahlreichen Betrieben wird um jeden Arbeitsplatz gekämpft, während gleichzeitig der Druck, kosteneffizienter zu arbeiten, für die Unternehmen im Raum steht. In den letzten Drafts der einschlägigen Berichte ist der Tenor klar: Müssen wir uns entscheiden zwischen ‘Innovation’ und ‘Erhalt’? Ja, aber auf wessen Kosten?
Zurück im Betriebsgebäude alter Herren, die vor einer Wand aus Fotos von vergangenen Errungenschaften posieren, steht Thomas auf und spricht leidenschaftlich über den Wert der Pflege eines kollegialen Geistes. „Wir sind mehr als Kostenstellen!“, ruft er. Es sind diese Bilder von Menschlichkeit, die in den frostigen Zahlen der Buchhaltung oft untergehen. Gleichzeitig entfaltet sich sein Blick über die Köpfe der anwesenden Kollegen, und man kann das fast greifbare Bedürfnis nach Zusammenhalt und Unterstützung spüren.
Die Emotionen sind nicht nur an den Schreibtischen und Hallen spürbar, sie sind auch in der Luft der Züge eingebettet, die über schimmernde Gleise rollen. Die Geschichten der Telegrafisten, Lagermitarbeiter und Lkw-Fahrer wachsen im Sound dieser mechanischen Ungeheuer, die tagtäglich eine Brücke schlagen zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Die Sichtweise der Gewerkschaften, die auf die humane Seite der Diskussion besteht, mag in den Vorstandsetagen oft als altmodisch erscheinen, während der Ruf nach modernster Effizienz immer lauter wird. Doch die Menschen, die tägliche Schichten arbeiten und ihr Leben hinter den Schienen verleben, sind es, die letztlich das Rückgrat dieses Unternehmens bilden. Wenn man also über Zahlen und Statistiken spricht, darf man die Stimmen derer nicht vergessen, die am Ende dieser Transformation die Säulen des Unternehmens stellen.
So bleibt die Frage nach der Zukunft nicht nur eine wirtschaftliche Herausforderung, sondern auch eine gesellschaftliche. Während der Druck auf DB Cargo wächst, scheint das Gleichgewicht zwischen Effizienz und Menschlichkeit fragil. In einem Land, wo Eisenbahnen und Reisegeschichten Teil der nationalen Identität sind, könnte der nächste Schritt in der Restrukturierung mehr sein als nur ein (geschickter) Unternehmensschachzug. Es könnte eine Zäsur sein, an welcher alle die Auswirkung ihrer Entscheidungen spüren.