In der Dämmerung färbt sich der Himmel über den Anden in zartem Rosa, und kühle Bergluft mischt sich mit dem Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Im Lobby-Bereich des Hotel Portillo sitzt eine kleine Gruppe Gäste um einen knisternden Kamin. Man hört gedämpftes Lachen und das Klirren von Gläsern, die mit einem lokalen Malbec gefüllt sind. Draussen türmen sich schneebedeckte Gipfel, die für manche das ultimative Abenteuer bedeuten, für andere aber auch die perfekte Bühne, um sich langsam an das Skifahren heranzutasten. Das Hotel Portillo ist ein Ort, der beides möglich macht – und dabei eine Geschichte erzählt, die ebenso schroff wie faszinierend ist.
Das Hotel Portillo liegt auf fast 2.900 Metern Höhe in der chilenischen Cordillera de los Andes, und es ist mehr als nur ein Resort für Skifahrer. Es ist ein Stück lebendige Geschichte, ein subtiler Schauplatz großer Momente, gewürzt mit einer Portion menschlicher Spontaneität und einer Prise Weltpolitik — und vor allem eine Familiengeschichte, die bis heute spürbar ist.
Die Geburtsstunde des Resorts ist schnell erzählt — oder auch nicht. Anfang der 1940er Jahre fiel es amerikanischen Investoren eher zufällig in die Hände, bei einem impulsiven Kauf, als sie eigentlich etwas ganz anderes suchten. Die Idee, mitten in den Anden ein Skiresort zu errichten, war verrückt, fast ein bisschen wahnsinnig, und doch gerade deshalb so reizvoll. Der Ort lag abgelegen, nahezu unberührt, mit schroffen Abhängen, die sich aber unter Skiern wunderbar bezwingen ließen. Ein Ort, an dem auch absolutes Neuland betreten wurde, weit weg von den etablierten Wintersportzentren Europas oder Nordamerikas.
Dem Hotel wurde das Talent zuteil, von Anfang an unterschiedlichste Gäste zu faszinieren. Vom blutigen Anfänger, der sich die ersten Schwünge auf geliehenen Skiern erkämpft, bis hin zum Olympioniken, der den legendären Inca Run bezwingt – ein inoffizieller, aber berüchtigter Skiabhang, der Portillo berühmt machte. Hier haben sich Legenden getroffen, vermischt mit jenen, die den Sport einfach nur als Rückzugsort suchten. Und sie alle fanden in Portillo mehr als nur Abfahrten im Schnee: eine Erfahrung, die gleichsam körperlich fordernd und sinnlich einladend ist.
Die Geschichte des Hauses ist zudem ungewöhnlich gespickt mit Höhepunkten, die man so nicht erwartet hätte. Etwa jener legendäre Besuch von Fidel Castro Anfang der 1970er Jahre, der dem damals jungen chilenischen Königreich des Skifahrens einen unerwarteten politischen Glanz verlieh. Ein Mann, der politisch häufig als Gegenspieler galt, stand plötzlich gemeinsam mit chilenischen Wintersportbegeisterten auf der Piste, in einem Moment, der für eine kurze Weile die sonst so starren Fronten verwischte. Es sind solche Anekdoten, die Portillo seinen besonderen Zauber verleihen: Geschichte, die lebendig bleibt, ins Hier und Jetzt hineingewoben.
Was das Hotel bis heute trägt, ist die familiäre Atmosphäre. Drei Generationen der Familie Solari prägen das Haus, mit dem Anspruch, nicht nur eine touristische Infrastruktur zu bieten, sondern mehr so etwas wie ein Zuhause inmitten der Berge zu sein. Ein Ort, an dem Übernachtungen zu Begegnungen werden, an dem Tagestouristen ebenso willkommen sind wie Weltranglistenkandidaten, die hier ihre Trainingszeit planen. Die Verbindung von Tradition und Moderne, von improvisiertem Geist und professionellem Anspruch, ist hier nicht nur ein Konzept, sondern gelebtes Hausmanagment.
Beim abendlichen Dinner im Speisesaal erzählt eine angereiste Familie aus Buenos Aires begeistert von ihrem ersten Tag auf der Piste. Die Kinder hatten alle Hände voll zu tun, den steilen Hängen zu trotzen, während die Eltern froh waren, nicht allzu oft von der grünen Piste abgekommen zu sein. Gleichzeitig sitzt an einem anderen Tisch ein ehemaliger Olympiasieger, dessen Schatten sowohl in der chilenischen wie internationalen Skiszene noch lang ist. Er spricht leise über die Veränderung der Berge und des Sports, mit einer leichten Melancholie für die Zeiten, in denen der Schneefall noch sicherer und weniger unberechenbar schien.
Portillo zeigt sich so als ein Ort voller Widersprüche und dennoch einer, der Harmonie schafft. Die rauen Berge mit ihrer zeitlosen Erhabenheit und die intime, fast familiäre Geborgenheit des Hotels bilden einen Kontrast, der Besucher immer wieder anzieht und nie ganz loslässt. Es ist die Art von Herausforderung, die gleichzeitig sanft und kompromisslos ist – genau wie das Skifahren auf diesen tosenden Hängen.
Wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist und das letzte Licht in den Fenstern des Hauses erlischt, erhält dieser Platz seine ganz eigene Ruhe. Das Hotel Portillo ist mehr als eine Sommerfrische oder ein Wintersportresort; es ist ein Archiv voller Geschichten und Emotionen, von denen man selbst noch Jahre später träumt. Eine Oase, wo man lernen kann, ein bisschen mehr zu vertrauen: in die eigene Balance, in den unberechenbaren Rhythmus der Natur und in den Zauber von einem Ort, der mal aus einem impulsiven Traum, mal aus der Sehnsucht eines Bergliebhabers entstanden ist. So steht Portillo bis heute — zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Gipfeln und Tälern — als ein kleines Monument des Lebens auf allen Ebenen.