Es ist ein warmer, klarer Morgen in Miami. Adam Golden sitzt an einem kleinen Frühstückstisch, ein dicker Becher Kaffee in der Hand, während vor seinem Fenster die Stadt langsam erwacht. Der Uhrenhändler ist gerade auf dem Sprung – gleich wird er in seinen Wagen steigen und eine guteinhalbstündige Fahrt gen Norden antreten, nach Boca Raton. Was scheint daran besonders? Für Adam Golden ist es Routine. Denn dort, so hat er gehört, liegt das Objekt seiner Begierde – eine nahezu unberührte Rolex „Paul Newman“ Daytona. Das eine Modell, von dem jeder Sammler träumt und das in der Welt der Vintage-Uhren so etwas wie der heilige Gral ist.
Golden ist kein Unbekannter in dieser Szene. Sein Unternehmen Menta Watches hat ihn zu einem solchen Spezialisten gemacht, dass er schon zu den abgelegensten Orten gereist ist, nur um seltene Stücke an Land zu ziehen – manchmal sogar quer durchs Land, durch zahllose Städte und Auktionen. Doch kaum etwas gleicht dem Reiz einer „Paul Newman“ Daytona, einer Uhr, die mit der Aura eines Hollywoodstars, der Geschichte und einer leisen Melancholie ausgestattet ist wie kaum eine andere.
Was ist es also, das dieses Stück Uhrmacherkunst so außergewöhnlich macht? Ein Blick auf das Zifferblatt genügt, um zu verstehen: Anders als bei der „normalen“ Daytona besitzt die „Paul Newman“-Version ein „exotisches“ Zifferblatt, eine Besonderheit, die sich durch einen kontrastierenden Außenminutenring, blockige Indices und schicke Art-Deco-Ziffern auszeichnet. Häufig sind diese Zifferblätter in einer mutigen Kombination aus Weiß, Schwarz und Rot gehalten – eine Farbpalette, die so markant wie elegant wirkt. Die Uhr trägt den Spitznamen nicht ohne Grund: Paul Newman, der legendäre Schauspieler und Rennfahrer, trug sie selbst am Handgelenk. Im Jahr 2017 erzielte seine persönliche Daytona bei einer Auktion sensationelle 17,8 Millionen Dollar – der bislang höchste Preis, der je für eine Vintage-Armbanduhr gezahlt wurde.
Doch diese Rekordzahlung war nicht der Anfang, sondern eher ein Höhepunkt einer langen Reise. Schon in den 1980er-Jahren, als die Leidenschaft für Armbanduhren als Sammlerobjekt gerade erst erwachte, galt die „Paul Newman“ Daytona als begehrte Kostbarkeit. Paul Boutros, Vizepräsident und Leiter der Uhrenabteilung bei Phillips in Amerika, bringt es auf den Punkt: „Die Paul Newman Daytonas haben das Sammeln von Armbanduhren damals erst richtig begonnen.“ Vier Jahrzehnte später steht fest, dass diese Uhr mehr als nur ein Trendobjekt ist, sondern zum unverrückbaren Fixpunkt in einem Markt voller Schwankungen geworden ist.
Der Uhrenmarkt hat in den letzten Jahren nicht gerade an Dynamik verloren. Man könnte sagen, er hat eine ähnlich turbulente Entwicklung erlebt wie die berühmte Architektur von Tadao Ando, die einst Kanye Wests Haus prägt: Nach dem Höhenflug während der Pandemie, als die Preise für Luxusuhren quasi explodierten, folgte eine schnelle Korrektur, die viele Sammler und Händler irritierte. Marken wie Cartier haben sich neu erfunden, Winzlinge am Handgelenk feiern ihr lang erwartetes Comeback, und unabhängige Uhrmacher rücken immer stärker ins Rampenlicht. Sogar die aktuellen Zolltarife drohen das ohnehin fragile Gleichgewicht des Marktes ins Wanken zu bringen.
Doch mitten in diesem Gewirr bleibt die „Paul Newman“ Daytona stabil wie ein Fels in der Brandung. Adam Golden beschreibt das mit einer bewundernswerten Gelassenheit: „Was sonst könnte ich als immun gegen Trends bezeichnen? Man sieht Ausschläge in den Werten bei allen möglichen Marken: F.P. Journe, Heuer, Cartier, alles verändert sich.“ Im Gegensatz dazu dominiert die „Paul Newman“ seit jeher den Markt. Paul Boutros vergleicht das wohl treffendste Phänomen mit einem Ikonenauto: „Die ‚Paul Newman‘ Daytona ist für die Uhrenwelt das, was der Porsche 911 für die Automobilkultur ist.“ Ein Vergleich, der insofern Sinn macht, als beide – der Porsche 911 wie die Daytona – ihr Debüt im Jahr 1963 feierten und fortan zu Kultobjekten avancierten.
Während Adam Golden also an diesem Morgen hinterm Steuer seines Wagens sitzt und die Gedanken vielleicht schon bei dem vintage-schimmernden Zeitmesser in Boca Raton sind, erzählt seine Geschichte von der Magie, die eine Uhr wie die „Paul Newman“ ausmacht. Es ist nicht nur das chronometrische Können, das handwerkliche Meisterstück oder der Preis, der auf Auktionen in die Millionen schießt. Es ist die Verbindung zu einer Ära, zu einem Charisma, das sich kaum fassen lässt – ein Stück Geschichte, das man am Handgelenk tragen kann. Die „Paul Newman“ Daytona ist mehr als nur eine Uhr. Sie ist ein stiller Zeuge, ein unverrückbares Symbol in einer Welt, die sich ständig neu erfindet und doch manchmal, ganz sachte, an der Sehnsucht nach Beständigkeit hängt. Ein Leuchtturm in einem Meer aus Wandel. Und während Adam Golden sich der Uhr nähern wird an diesem Tag, wird er nicht nur ein historisches Stück Besitz in den Händen halten, sondern auch eine Geschichte, die weit über Zifferblätter und Zeiger hinausgeht.