Eine Krise jagt die nächste
Während die Finanzmärkte in einem ständigen Wandelsang stehen, ist das Bild des aufbrausenden Ozeans nicht mehr weit hergeholt. Dunkle Wolken ziehen auf, Blitze zucken am Horizont und in den Vorstandsetagen weltweiter Banken wird hektisch diskutiert, während der Sturm unaufhaltsam näher rückt. Ein finanzielles Erdbeben hier, eine Bankenpleite dort, und der Glaube an die Stabilität des Systems schwindet. Man fragt sich unweigerlich: Wie oft kann das Spiel noch wiederholt werden, bis der letzte Stein ins Rollen gerät?
In den letzten Jahren erleben wir eine Reihe von Krisen, die tief in die Struktur des Finanzsystems eingreifen. Ob die globale Finanzkrise 2008, die europäische Schuldenkrise oder die Folgen der Corona-Pandemie – jede Krise hat ihre eigenen Charakteristika und Lehren, und doch scheint die Antwort der Akteure im Finanzsektor oft dieselbe zu sein: Unsicherheit, gefolgt von einer unzulänglichen Anpassung der Regulierung. Wie oft ist es erforderlich, dass das Feuer brennt, bevor die Feuerwehr eintrifft?
Man stelle sich den Banker vor, der an einem kühlen Aprilmorgen in einem hochmodernen Bürogebäude sitzt, umgeben von Bildschirmen, die in der hektischen Farbenpracht der Grafiken flimmern. Das Geräusch der Tastenanschläge vermischt sich mit dem sanften Surren der Klimaanlage — eine erzeugte Atmosphäre von Kontrolle und Sicherheit. Doch die Ruhe trügt; der Blick auf die Märkte ist angespannt, denn die letzte Kursrakete hat gerade den Boden unter den Füßen verloren, und es bahnt sich eine neue Krise an.
„Wir haben aus der Vergangenheit nicht gelernt“, sagt ein ehemaliger Investmentbanker, der anonym bleiben möchte. Er erzählt von Meetings, in denen statt Lösungen lediglich das Nachjustieren von Risikomanagement-Strategien besprochen wird. „Das Problem ist nicht die Regulierung an sich, sondern der Geist, der dahintersteckt. Wir glauben, wir könnten die Märkte mit minimalen Eingriffen kontrollieren. Aber was wir wirklich brauchen, ist ein grundlegendes Umdenken.“
Der Blick in die Gesichter der Banker in diesen Meetings suggeriert oft eine betretene Stille; ein kollektives Eingeständnis, dass die Antwort auf die Fragen der Zeit nicht unbedingt in den Aktiencharts und Diagrammen liegt. In den Wänden der Hochhäuser finden sich nur wenige echte Gespräche über die Ethik des Geldes oder die sozialen Implikationen der Entscheidungen, die in diesen klimatisierten Räumen getroffen werden. Vielmehr werden Zahlen und Prognosen auf einen Tisch geworfen, während die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt.
Die Anonymität des Finanzmarktes bietet oft einen Flüchtigkeitsrauschen, das Türen öffnet, die sonst vielleicht verschlossen bleiben würden. Kaum ein Passant in der Stadt würde sich für die Überlegungen in den Regierungsbüros oder den großen Banken interessieren, wo über die Schaffung eines „sicheren Hafens“ für volatile Märkte diskutiert wird. Dies sind oft abstrakte Diskussionen über Basel III und Solvabilitätsrichtlinien, während darauf massenhaft Zahlenkollaps und Unternehmenspleiten folgen.
„Die Regierungen werden oft von den Lobbyisten in den Banken geprägt, die ein Interesse daran haben, wenig oder gar nichts zu verändern“, sagt Maria, eine Finanzjournalistin mit jahrelanger Erfahrung, während sie im Café am Rande der Wall Street an einem dampfenden Cappuccino nippt. „Die Investoren sind schrecklich short-sighted. Sie schauen nicht langfristig auf die Gesellschaft, sondern nach dem nächsten Gewinnposten oder der nächsten Zinsveränderung. Das ganze System ist fragil.“
Sie spricht von der Notwendigkeit, das Thema Regulierung neu zu denken. Das Vertrauen in einen Markt, der unreguliert und unberechenbar ist, schwindet – nicht nur bei den einfachen Menschen, die ihr Geld bei den Banken anlegen, sondern auch bei den Investoren. „Die Vision der Regulierer sollte eine sein, die sowohl Stabilität als auch Ethik in einem langfristigen Kontext fördert“, fügt sie hinzu und lehnt sich zurück. Sie hat die Schwere ihrer Worte durch ihre Schultern spüren lassen.
Gerade als man das Gefühl hat, die Dinge sind im Wanken, wird der Finanzmarkt in einem unerwarteten Moment ein wenig ruhiger. Eine umstrittene Bank fusioniert mit einer anderen, große Anleihenprogramme werden lanciert. Man spricht von einem neuen Typus von Regulierung, einer, die mit einer gewissen Flexibilität daherkommt und doch das Ziel der Stabilität anstrebt. Es ist die Frage des „Wie“ mehr als des „Ob“ – durch die Auseinandersetzung mit Technologie, durch Selbstregulierung der Branche, durch ein Umdenken über den Umgang mit Risiken.
Das Bild dieser Banken kann nach Greisen und Spine auf einen Innovationsschritt hoffen, in dem Blockchain und digitale Währungen eine Rolle spielen. Aber auch das birgt Risiken. Und so fragt man sich: Wer wird sich den Herausforderungen stellen, diese neuen Technologien zu regeln? Und wie? Hier klafft eine Lücke: ein Raum, der gefüllt werden muss, um das Vertrauen zurückzugewinnen, das verloren gegangen ist.
Die Melodien des Ozeans und der Finanzmärkte sind oft in einem gleichmäßigen Rhythmus — ein Fließen und Strömen, das niemals stillsteht. Und während man sich auf einen neuen Sturm vorbereitet, fragen sich nicht nur Banker oder Analysten, sondern auch der einfache Mensch: Wie viel Sicherheit bleibt, wenn das Wasser nicht aufhört, zu steigen? In diesen ungewissen Zeiten ist es die Kunst, dem Chaos eine Struktur zu geben – denn die nächste Krise ist bereits in Sicht.