Im Schatten hoher Ansprüche: Das Südchinesische Meer und die neuen Wellen der Konfrontation
Im glitzernden Gewässer des Südchinesischen Meeres wird der Alltag durch drängende Fragen auf die Probe gestellt: Wer hat das Recht, hier zu fischen? Wer bestimmt das Schicksal der Menschen, deren Lebensgrundlage von den Wellen verstreut wurde? Während die Sonne über den Horizont von Palawan aufgeht und eine neue Seefahrt ansteht, rumort es unter der Oberfläche – und die Boote der philippinischen Fischer sind nicht die Einzigen, die in Gefahr geraten.
Die Kluft zwischen Peking und Manila hat sich seit 2012 so weit geöffnet wie der Spalt zwischen zwei benachbarten Kontinenten. Der Streit um die Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer hat sich von einem lokalen Konflikt zu einem geopolitischen Schachspiel entwickelt. Hier, wo das Wasser reich an Meeresressourcen ist, bemüht sich die chinesische Regierung unerschütterlich, ihren Einfluss auszudehnen. Die Quintessenz des Problems ist einfach, aber die Konsequenzen sind komplex: Peking beansprucht fast das gesamte Meer auf Grundlage historischer Ansprüche, die mehr der Legende gleichen als der Realität.
Es ist ein Nachmittag im August, als ein philippinisches Patrouillenboot am Horizont auftaucht. Der Kapitän, ein älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht und müden Augen, beobachtet die Landschaft mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Besorgnis. «Das Meer ist unser Leben», murmelt er, während die Motoren dröhnen und seine Männer ihre Netze überprüfen. Dennoch könnten sie bald des Fischens überdrüssig sein – das Gefühl, dass die Freiheit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, von der Landkarte getilgt wird, ist überwältigend.
Als die philippinischen Fischer ihre Netze wieder ins Wasser werfen, scheinen die Wellen diese kleinen Boote sanft zu umarmen, doch die Realität ist rauer. Nur wenige Kilometer weiter zieht ein chinesisches Küstenwachschiff seine Bahnen, ein kolossales Ungeheuer, das den Eindruck erweckt, die Fläche des Meeres mit seiner Präsenz zu erweitern. Diese Konfrontationen sind nicht isoliert; sie sind Teil eines größeren Musters der Militarisierung und Territorialansprüche, die Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben, die vom Meer abhängig sind.
Ein Fischer ergreift das Wort, während die Sonne wie ein glühendes Rad am Himmel schwebt. «Wir sind keine Rivalen. Wir wollen einfach nur fischen. Wo ist der Platz für uns in dieser großen Politik?» Seine Stimme ist leise, aber im Hintergrund dröhnt die Unsicherheit, als das Geräusch eines anderen Bootes näherkommt – diesmal kein harmloser Fischer, sondern ein weiteres Küstenwachschiff. Die Jungs auf dem Boot werden nervös, die Netze bleiben unerhört – und jeglicher Gedanke an eine friedliche Ausbeute weicht der Realität der ständigen Bedrohung durch erzürnte Wachen.
Im Jahr 2016 entschied der Schiedsgerichtshof in Den Haag zugunsten der Philippinen, indem er Pekings Ansprüche auf das Meer als ungültig erklärte. Doch in der Praxis haben sich diese rechtlichen Siege als wenig hilfreich erwiesen. Immer wieder zeigt die chinesische Küstenwache aggressives Verhalten gegenüber philippinischen Fischerbooten, als würde sie das Meer selbst für sich beanspruchen und die Seeleute auf das kleine Stück Land, das gerade noch als ihr Wohnsitz gilt, zurückdrängen.
In einem kleinen Café an der Küste, umgeben von Bildern und Geschichten der Fischertradition, redet eine Frau, die ihre Familie im Fischfang hat. «Es ist wie ein Spiel von Schach», sagt sie, und ihr Blick wandert über die Wellen. „Doch wir stehen nicht lange auf dem richtigen Feld.“ Ihre Hände kneten ein Stück Teig, während sie erzählt, dass ihr Sohn bei einem Übergriff in den Gewässern beinahe gefangen genommen wurde. Der Druck von außen bringt Tränen in ihre Augen, während sie langsam eine Verbindung zur übergreifenden Thematik schafft.
Und trotzdem, messe ich, während ich das Gespräch registriere, ist da auch diese ungebrochene Hoffnung in ihren Augen – die Hoffnung, dass die Stimme des Volkes eines Tages gehört wird. Denn in der Stille der nächtlichen Küsten, wenn die Fischer netzen und die Wellen leise schwingen, flüstert das Meer auch Geschichten von Widerstand, von einer Identität, die, obwohl sie am Rande der Vergessenheit zu stehen scheint, niemals ganz aus dem Gedächtnis der Menschen verschwinden wird.
So unruhig wie die See selbst, gehen die Spannungen im Südchinesischen Meer weiter. Die Fischer sind nur eine Facette in einem Konflikt, der sich wie ein Schatten über Ost- und Südostasien legt. Das Wasser bleibt unberechenbar, die Ansprüche darauf unendlich – und während die Wellen einen kurzzeitigen Frieden verheißen, säuft das Geschichtsbewusstsein in den Tiefen der Politik und der Herrschaftsgebärden. Inmitten dieser Wogen bleibt das verzweifelte Streben nach Respekt und Würde die einzige Konstante auf diesem unruhigen Meer.