Für die Neuankömmlinge hatte man einiges vorbereitet: kostenlose Jetski-Fahrten auf glitzerndem Wasser, ein Buffet mit so viel Essen, dass die Tische unter der Last der Speisen zu ächzen schienen, und als krönendes Souvenir ein Spielzeugmodell der Hwasong-17, das stolze 465 US-Dollar kostete. Ein absurd wirkendes Willkommensgeschenk, wenn man bedenkt, was dahintersteckt.
Die Hwasong-17, die mächtigste Langstreckenrakete Nordkoreas, steht symbolisch für eine Macht, die wie ein dunkler Schatten über der Halbinsel liegt. Da sitzt also ein Paket verkauft als Andenken oder kuriose Sammlerobjekt in bunten Plastiktüten – für eine lukrative Summe, die manch anderen Ländern eher für Alltagsgegenstände ausgeben. Ein ironisches Vermächtnis in Miniaturform, das in den Händen von Touristen und Interessierten die Bedrohung entwaffnen soll, während die volle Macht dieser Waffe im Hintergrund bleibt.
Die Szene spielt sich ab an einem Hotspot, möglicherweise für westliche Besucher, die seit Jahrzehnten nur Brüchigen Zugang zum Reich des nordkoreanischen Kim-Regimes haben. Das Außenbild, eine Inszenierung: Lebensfreude, Gastfreundschaft, Harmonie mit der Natur. Wassersport auf dem breiten Fluss, gelassene Gesichter, und die allgegenwärtigen Militärmotive, die wie ein merkwürdiger Schatten immer wieder zwischen den Szenerien auftauchen. Der Spagat zwischen Alltagsnormalität und Endzeitvision ist kaum zu übersehen.
Auf den ersten Blick wirkt die Veranstaltung wie ein Vergnügungspark mit Requisiten aus einem kalten Krieg, der nie wirklich aufgelöst wurde. Ein Gemisch aus Unterhaltung, Militärparade und Propaganda. Hinter der freundlichen Fassade und dem scheinbar entspannten Willkommen sitzt die Frage nach dem Warum, nach dem Zweck: Wer sind diese „Außenseiter“, die sich hier einfinden, und was suchen sie wirklich?
Einer der Besucher, der sich mit spürbarer Unsicherheit zwischen den Ständen bewegt, erzählt leise: „Man will etwas erleben, hinter den Vorhang schauen. Aber es ist, als ob man auf einer Bühne steht, deren Drehbuch vorgegeben ist.“ Es sind keine Ausflüge in Freiheit, sondern fast immer ein inszeniertes Spektakel, bei dem der Besucher mehr Teil der Show als echter Beobachter ist.
Das Essen – reichlich und exotisch – wird fast zum kollektiven Ritual, bei dem sich Einheimische und Fremde an einen Tisch setzen, ohne wirklich aneinander vorbeizukommen. Zwischen den Gängen schweigen die Schatten des Alltags: Stromausfälle, Kontrollen, Einschränkungen. Doch für diesen Moment, scheint es, herrscht eine fragliche Übereinkunft, ein fragiles Miteinander, das von Höflichkeit und dem Drang nach Normalität vorgenommen wird.
Die Jetski-Fahrer, jung, voller Energie, lachen und liefern sich kleine Wettrennen. Sie sind gleichzeitig die Brücke zur Außenwelt und wohl auch die größte Hoffnung der politischen Führung: Sulzige Anzeichen dafür, dass das Land, zumindest an der Oberfläche, jung und lebendig ist. Dass hier Menschen leben, die gern das Leben spüren wollen, auch wenn alles um sie herum wie ein Gefängnis wirkt, versteckt hinter einer Kulisse aus Plastiktiere-Raketen.
Und jene Rakete, die aus Plastik gegossen, für 465 Dollar verkauft wird, erzählt viel über das paradoxe Verhältnis dieser Gesellschaft zu sich selbst und der Welt. Sie ist ein Spielzeug für Erwachsene, ein Sammelobjekt, vielleicht sogar ein trostloser Ersatz für die Freiheit. Für die einen Statussymbol, für andere Warnung. Sie ist Teil einer Geschichte, die sich nicht nur in militärischer Macht manifestiert, sondern in den kleinen Schritten und Absurditäten des Alltags.
In diesem Moment, zwischen Jetski und Modellrakete, zwischen Buffet und Staatsinszenierung, offenbart sich eine fragile Realität. Ein Land, das außen den Eindruck von Kontrolle und Ordnung wahrt – und innen zwischen Sehnsucht und Abschottung schwankt. Ein Ort, an dem Fremde willkommen geheißen werden, um zugleich daran erinnert zu werden, wie sehr sie hier eigentlich unbehaust sind.
Die Besucher nehmen ihre Souvenirs mit nach Hause, einige lachend, andere nachdenklich, manche teilnahmslos. Vielleicht spüren sie die eigentliche Botschaft der Inszenierung: Veränderung, wie man sie in Nordkorea sieht, ist kein leichtes Vergnügen. Sondern eine Mischung aus Show, Macht und dem leisen Wunsch nach einem Funken Menschlichkeit – verborgen hinter der Kulisse einer Rakete, die mehr sagt, als das Plastikspielzeug jemals könnte.