Amazon und DHL: Ein Wettlauf in der Logistiklandschaft
Wenn der Kurierdienst die Pakete an der Haustür abliefert, wissen die meisten Besteller wohl kaum, dass hinter der Verfrühung ihrer Paketsendungen ein komplexer Konkurrenzkampf tobt. Amazon, der gigantenhafte Online-Händler, hat sich nicht nur als häuslicher Einkaufsfreund etabliert, sondern ist auch ein doppelgesichtiger Mitspieler im Spiel der Lieferdienste. Die DHL Group, traditionell ein verlässlicher Partner in der Logistik, sieht sich einem siechenden Paradigmenwechsel gegenüber: Amazon bringt nicht nur Bestellungen zu den Kunden, er wird auch immer mehr zu einem machtvollen Rivalen im Geschäft selbst.
Es ist ein sonniger Vormittag im September, als ich das Logistikzentrum von DHL am Flughafen Köln/Bonn besuche. Die Luft ist durchzogen von dem geschäftigen Klang der ankommenden und abfahrenden Transportwagen. Hier, wo früher oft die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) über die neuesten Innovationen in der Logistik tagte, wird nun das nächste große Kapitel der globalen Versandgeschichte geschrieben. Während ich durch die Hallen schlendere, prallen die Welten von Menschen und Maschinen in einem choreografierten Durcheinander aufeinander: Hochgestapelte Pakete, eilige Kurierfahrer und die einladenden Bildschirme, die über aktuelle Sendungsstatus informieren, schaffen den Eindruck einer pulsierenden Metropole – nur dass diese Stadt aus Waren besteht.
Inmitten dieses geschäftigen Treibens tritt Frank, ein Betriebsleiter in seinen späten Vierzigern, in mein Sichtfeld. Mit einem informierten Lächeln erklärt er mir, dass Amazon für DHL ein zweischneidiges Schwert ist. „Wir haben tolle Verträge, das ist sicher. Aber je mehr Amazon selbst in die Logistik investiert, desto mehr spüren wir den Druck. Sie bauen eigene Lager, eigene Flotten und eigene Last-Mile-Dienste auf. Der Wettbewerb verschärft sich“, sagt er mit einem Unterton von Resignation in seiner Stimme.
Die Follower-Zahl von Amazon wächst täglich. Dabei agiert das Unternehmen nicht nur als Kunde von DHL, sondern hat sein eigenes Lagersystem, das in rasantem Tempo ausgebaut wird. Er selbst hat keinen Grund, Amazon als Feind zu betrachten. „Schließlich ist es auch ein Teil des Spiels. Da sitzen sie, die Leute von Amazon, mit uns am Tisch und verhandeln die Preise“, fügt er hinzu, während er einen Blick auf einen überdimensionalen Monitor wirft, der die gesamten Logistikwege in Europa anzeigt.
Sichtbar sind die Veränderungen auch in den Gesprächen zwischen DHL und seinen Kunden. Das Wort „Flexibilität“ wird immer häufiger gebraucht, während „Höher, schneller, weiter“ zum Mantra der Zeit geworden ist. Die Kunden wollen heute nicht nur erfolgreich beliefert werden, sie möchten es in einer Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit, die selbst die besten DAX-Konzerne ins Schwitzen bringen könnte. In dieser Umgebung wurde Amazon zur treibenden Kraft, die Standards setzt.
Ein Streifzug durch die Frankfurter Innenstadt verdeutlicht das Phänomen. Auf den belebten Straßen wird die immer gleiche Frage laut: „Wo kommt das Paket her?“. Darunter eine neue Art von Bello, die sich sicher durch die Gassen schlängelt: die Amazon-Lastmile-Kuriere. Sie sind nicht mehr nur Multiplier des Albert Einstein Zitat „Phantasie ist wichtiger als Wissen“, sie haben es in die Praxis überführt. Während man mit einer Bestellung ein Produkt kauft, wird man zugleich Teil eines Filmpuzzles aus direkter Lieferkette, Nachverfolgbarkeit und der Neudefinition von Kauffaktoren.
Aber während sich die Welt um uns herum rasend verändert, geschieht am Logistikstandort DHL etwas Heimliches: Die Talente wandern ab. Junge Fachleute mit innovativen Ideen und frischem Elan beurteilen die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen, um in die Reihen des ihm meist feindlich gesinnten Giganten zu wechseln. Sie sind den Herausforderungen, die aber auch die großen Frachtunternehmen prägen, ausgeliefert: Eine immer unübersichtlicher werdende Standortstrategie in Fernost, der massive Einfluss politischer Überlegungen auf die weltweite Logistik und nicht zuletzt der Klimawandel.
In einer kleinen Besprechung hörte ich die Diskussionen über die Anpassung an diese Herausforderungen: „Stellen Sie sich vor, Amazon fährt mit Lastenfahrrädern mitten durch die Stadt, während wir uns noch am alten Modell festklammern“, bemerkte eine andere Führungskraft bei DHL und rieb sich nachdenklich das Kinn. Die Verkäufer von Paketen haben nicht nur das Zeitgefühl verloren, sie wissen, dass das folgende Rennen nicht nur schneller, sondern auch nachhaltiger werden muss. Dabei erhebt sich die Frage: Ist das moderne Logistikspiel ein Sprint oder ein Marathon, und wer wird letztlich die Ziellinie überschreiten?
In einer Welt, wo Waren Macht sind und Kuriere die neuen Champions der Logistik, bleibt abzuwarten, ob DHL mit seinem reichen Erfahrungshorizont auch im Wettbewerb gegen das dynamische, ungestüme Wachstum von Amazon bestehen kann. Die meisten Passanten in den Straßen bemerken wahrscheinlich nicht den subtilen Kampf, der hier stattfindet. Denen, die wirklich neugierig sind, könnte sich jedoch ein Blick auf die Paketläufer entblättern, die rasant über die Straßen und in die Treppenhäuser der Metropolen rennen – eine neue Art von Jagd, die weit über den reinen Transport hinausgeht. Und während die Menschen weiterhin ihre Pakete erwarten, wird sich das Bild dieser scheinbar einfachen Transaktion weiterhin radikal verändern.