Die Erde wirkt trocken, rissig, ein fragiles Dach über einer zerstörten Welt, unter dem Hunger seine düsteren Schatten wirft. Im Dorf Kassala nahe der sudanesisch-äthiopischen Grenze sitzen Frauen auf steinernen Erdhaufen, die Hände in Reihen gefaltet, Blicke leer, Gedanken weit weg, in jene Tage, bevor der Krieg alles veränderte. Der Schrei nach Frieden ist fast ein Flüstern geworden – und doch wird er lauter, geht um die Welt, trägt das Gewicht von Millionen.
Fast zwei Jahre währt der Krieg schon. Im Hintergrund dieses erbarmungslosen Konflikts, der längst nicht mehr bloß ein regionales Bündnis ist, sondern eine zerrissene Frontlinie der Ängste, Gefühle und politischen Kalküle, formiert sich ein anderer Kampf: jener gegen den Hunger, gegen das zunehmende Sterben.
Überall dort, wo Bomben den Himmel zersplittern ließen und Fabriken in Flammen aufgingen, wo Märkte und Schulen bis zur Unkenntlichkeit zerstört sind, stellt die Natur ihr eigenes Ultimatum: Ohne Nahrung kein Morgen. In den Tigray-Provinzen Äthiopiens, mitten in der Region, die das menschenrechtliche Drama maßgeblich prägt, legen Ärzte und Helfer Zeugnis ab von der Raffinesse des Elends, das sich hier ausbreitet. Als habe die trockene Erde den Menschen ihren Atem geraubt, fallen Körper kleiner Kinder in sich zusammen, ein Krümelchen Leben inmitten zerfurchter Landschaft.
Tingelt man durch Camps, trifft auf Mütter, die erzählen, wie ihre Kinder trotz allem weiter lachen – ein Lachen, das zerbrechlicher nicht sein könnte. „Wenn ich kann, gebe ich ihnen etwas zu essen. Aber oft muss ich mich entscheiden zwischen Wasser und Nahrung. Wasser ist Leben, sagt man… doch was ist Leben ohne Essen?“ sagt Ayda, erst 27 Jahre alt, während ihr Sohn schlummert, die Rippen sichtbar wie Runen, die etwas anderes erzählen, als Worte es könnten.
Prominente und politisch Verantwortliche aus aller Welt sprechen sich klarer aus denn je. Kandita, eine Schauspielerin aus Europa, die im vergangenen Jahr in einem Hilfsprojekt war, dringt mit rabiater Ehrlichkeit an die Öffentlichkeit: „Wir können nicht zulassen, dass Menschen als Kollateralschäden bekundet werden.“ Eben jener Satz wirkt wie ein gebrochener Spiegel im sonst so lautlosen Schweigen.
Und doch – der Krieg setzt fort, als wäre das Leid ein notwendiges Übel auf dem Spielbrett globaler Interessen. Verschlossene Grenzen, blockierte Hilfskonvois, verzerrte Nachrichten: das komplexe Gewebe eines Konfliktes, das wie eine Falle zuschnappt. Trotz dieser Hindernisse wird Essen verteilt, Mahlzeiten werden ausgegeben, doch die Mengen sind winzig im Vergleich zum Bedarf. Die Großzügigkeit der internationalen Gemeinschaft schwankt im Takt politischer Nachrichten, die oft so schweigsam sind wie die hungernden Gesichter, die sie zu erreichen versuchen.
Inmitten dieses Dilemmas wird die Forderung nach einem Ende des Krieges immer dringlicher. Aktivisten finden sich zusammen, ihre Stimmen verbinden sich auf Demonstrationen in europäischen Hauptstädten, schicken Briefe an Regierungen, die diesen Krieg am Leben erhalten. Die Botschaft: Ohne Frieden gibt es keine Nahrung, und ohne Nahrung kein Leben. Es ist ein Aufruf, der über den politischen Diskurs hinausgeht, hinein ins Gewebe unserer Menschlichkeit.
Die Stimmen dieser Menschen gewichten mehr als nur Worte. „Wir kämpfen nicht um Macht“, sagt ein ehemaliger Soldat, der sich seit Monaten als Vermittler zwischen den Kriegsparteien engagiert. „Wir kämpfen für das Recht, zu leben, das Recht, dass unsere Kinder überleben. Frieden ist ein Verb, nicht nur ein Wort.“
Währenddessen sitzt ein Junge namens Sufian in einem Schatten, den trübe Sonnenstrahlen nur mühsam durchbrechen. Er zählt seine Finger, als seien sie Eier, als sei jeder Tag einer weniger. Die Welt schaut auf Zahlen, Statistiken, Karten – doch hier drinnen, in diesem staubigen Hof, ist es das Gesicht von Hunger, das wirklich zählt.
Kein Ende ist in Sicht, kein großer Schritt ohne Risiko, aber inmitten der Unwägbarkeiten wächst die Unruhe, die Unzufriedenheit, die Forderung nach etwas Grundlegendem: Frieden, der das Dürren des Bodens und das Verhungern der Kinder unterbricht, der das Schweigen der Hilfsorganisationen durchbricht und den Lärm des Krieges verstummen lässt.
Vielleicht ist es ein Bild des Stillstands, aber auch ein Bild des Widerstands: Menschen, die das Unmögliche hoffen, Hände, die sich nach Nahrung ausstrecken, Stimmen, die Frieden verlangen. Ein Appell, dessen Dringlichkeit wie ein Schmerz durch die Zeit dringt – unausweichlich, bewegend, wahr.