Es gibt diese Momente – du sitzt auf dem Boden, umgeben von ausgeschnittenen Papieren und glitzernden Buntstiften, und plötzlich siehst du das Ganze mit anderen Augen. Vielleicht liegt es daran, dass man irgendwann alt genug wird, um das Chaos als Kunst zu erkennen. Oder daran, dass die Zeit – diese kleine, heimliche Geschichtenerzählerin – uns lehrt, was wirklich zählt. Plötzlich wird klar: Kindheit ist nicht nur eine Phase, die vorbeigeht, sondern ein Schatz – kostbar, zerbrechlich und für immer in uns eingraviert.
Erinnert ihr euch an den Duft von Wachsmalstiften? Wie er die Luft erfüllt, sobald man ein neues Malheft aufschlägt, bevor die ungezähmten Hände ihre Magie wirken lassen? Genau dieses Credo der kleinen großen Abenteuer, das man erst später vollends versteht. Mit den Augen eines Erwachsenen sieht man das wilde Durcheinander nicht mehr als bloße Unordnung. Es wird zu einer Leinwand für Träume und Geschichten, an die man sich vielleicht schon kaum erinnert, die aber wie kleine Funken im Herzen weiterglühen.
In der Kindheit ist alles ein bisschen größer, bunter, lebendiger. Ein einfacher Schmetterling im Garten verwandelt sich in einen Tanzpartner aus einer Hollywood-Romanze, das ungeliebte Gemüse auf dem Teller wird zur Hauptrolle in einem Drama à la “Eat, Pray, Love” – nur eben mit Brokkoli. Heute weiß man: Diese Fähigkeit zur Verwandlung ist der wahre Zauber, der uns als Erwachsene oft abhandenkommt.
Manchmal spiele ich mit meiner Nichte, die das Tanzparkett unserer kleinen Wohnung in ein Ballhaus verwandelt. Sie trägt ein glitzerndes Tüllkleid, das bei jeder Drehung ein bisschen mehr Licht einfängt – und ich frage mich, wie es sein kann, dass ich damals davon geträumt hatte, genauso zu sein. Doch heute, mit einer Prise Erfahrung, sehe ich diese Szene anders. Ich habe gelernt, den Zauber des Tüllkleids auch in einem schlichten Abend in Jogginghose zu erkennen – denn wahre Magie entsteht immer aus dem Augenblick.
Was uns die Kindheit noch einmal neu lehrt? Es ist diese unbeschwerte Liebe zum Detail. Diese Begeisterung für das Kleine, das Einfache, das scheinbar Unbedeutende. Manchmal ist es ein frisch geöffneter Brief, manchmal ein gedankenverlorenes Lied, das auf einmal die Seele streichelt. Da draußen, im sommerlichen Sonnenlicht oder im Regen, sind diese Momente versteckt wie kleine Edelsteine, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.
Und hier kommt die Ironie des Ganzen: Je älter wir werden, desto mehr sehnen wir uns genau danach. Nach dieser Unschuld, dieser Offenheit, diesem unapologetischen Staunen über die Welt. Ein bisschen wie Audrey Hepburn im Klassiker „Breakfast at Tiffany’s“, die irgendwo zwischen Glamour und kindlicher Neugier balanciert. Manchmal reicht es, sich selbst daran zu erinnern, wie es war, als die Welt noch ein großes Abenteuer war – ohne To-Do-Listen, Netflix-Binge-Marathons oder Stresscodes, nur mit der puren Freude am Sein.
Am Ende entdeckt man durch das Prisma der Zeit, dass Kindheit nicht einfach vergangen ist. Sie lebt in uns, in unseren Blicken, in der Art, wie wir lachen, wie wir lieben, wie wir träumen. Vielleicht liegt die Weisheit genau darin, sich diesen Funken zu bewahren – ein kleines flackerndes Licht, das uns verbindet mit dem inneren Kind. Und während die Stunden verrinnen, wird dieses Bild klar: Ein Wirbel aus Farben, Licht und Lachen, der niemals verblasst, sondern uns begleitet wie ein heimlicher, glitzernder Begleiter.
So schließe ich die Augen, atme tief ein und lasse mich fallen in dieses Gefühl. Kindheit, du bist mehr als nur eine Erinnerung. Du bist eine Einladung – zu staunen, zu spielen, zu leben. Und vielleicht, ganz vielleicht, finden wir diesen Zauber in uns immer dann wieder, wenn wir ihn am wenigsten erwarten.