Manchmal öffnen sich Türen, von denen man kaum noch glaubte, dass sie sich je wieder öffnen würden. Mike Judge, der sanftmütige Vater von „Beavis and Butthead“ und „King of the Hill“, hat in diesem Jahr gleich mehrere dieser Türen durchschritten – sagt man das so, wenn man eigentlich nicht besonders euphorisch klingt? Vielleicht. Aber wenn man mit Mike Judge spricht, durch eine Telefonleitung, die zwischen den Zeilen rauscht und manchmal plötzlich zu verstummen droht, merkt man schnell: Er ist einfach zufrieden. Nicht überschwänglich. Nicht laut. Sondern so, wie jemand sagt: „Ich nehm‘ noch ’ne Tasse Kaffee.“
Sechseinhalb Jahre ist es her, dass Mike Judge mit seinem Geschäftspartner Greg Daniels, seines Zeichens Vater der Sitcom, ein Animationsstudio namens Bandera Entertainment gründete. Ein Projekt, dessen erster Erfolg sich lange Zeit in Geduld übte, bevor er im Januar dieses Jahres endlich an die Tür klopfte – mit der Serie „Common Side Effects“, einem psychedelisch unterlegten Thriller über ein Wundermittel und die dunklen Machenschaften der Pharmaindustrie. Die Serie bekam prompt eine zweite Staffel, und es scheint, als habe Judge den sanften Anstoß gebraucht, den man nur so nennen kann: Erfolg, leise, doch unumstößlich.
Nur wenige Monate später folgte ein Ereignis, das manchen Fans wie eine Offenbarung erschien: Die Rückkehr von „King of the Hill“. Vierzehn Staffeln sind nicht gerade wenig, doch der Neustart inmitten dieser gespaltenen amerikanischen Landschaft, kaum acht Jahre nach dem vermeintlichen Ende, gab der Serie etwas, das man ironisch nur „zeitgemäß“ nennen kann. Denn Hank und Peggy Hill, das amerikanische Vorzeigepaar aus Arlen, Texas, kehren zurück in eine Welt, in der Verschwörungstheorien längst von der politischen Mitte übernommen wurden – ein subtiler, bitterböser Kommentar auf die Gegenwart.
Aber es ist nicht nur Hank und Peggy, die im Zentrum stehen. Bobby Hill, vormals ein pummeliger Mittelstufenschüler mit einer Liebe zu alberner Comedy, ist in dieser Welt erwachsen geworden. Er ist jetzt Sternekoch und Restaurantbesitzer in Dallas – eine Evolution, die perfekt zu einem Jungen passt, der immer schon ins Rampenlicht wollte. Ein Freund von mir, ein eingefleischter Punkrock-Fan, meinte einst, Bobby sei immer nur knapp davor gewesen, sich eine Hardcore-Punk-Phase zuzulegen – und in der neuen Staffel sehen wir ihn fast so, als wäre er geradewegs aus einem der alten Klischees moderner Jugendkultur gefallen: dunkle Klamotten, Arbeitshose, kurz geschoren. Ein kleines Statement über die Reifung eines Charakters, der sich nie ändern wollte, und doch nie aufgehört hat, besser zu werden.
Und dann gibt es noch das wohl paradoxeste Comeback des Jahres: die dritte Staffel von „Beavis and Butthead“. 30 Jahre alt, für viele längst Kult, für andere kaum mehr als ein Relikt einer Ära, in der MTV Musikvideos in Dauerschleife laufen ließ und dummes Gelaber noch als Kunst galt. Judge erzählt von einem „Multiversum“, in dem es nicht nur die alten, naiven Streithähne gibt, sondern sie auch als „Alte“ und „Schlaue“ auftreten – Figuren, die fast wie Marvels mystische Beobachter durch das digitale Chaos der heutigen Internetwelt navigieren. Sie sind älter, vielleicht ein bisschen weiser – aber vor allem immer noch unverschämt komisch.
Einem Mann zuzuhören, der zwischen Los Angeles und Austin pendelt, bringt einen dazu, auch über die Veränderung der Orte nachzudenken, die ihm lieb sind. Austin, die vermeintliche Oase der Kreativität, die mit der Ankunft von Tech-Titanen und problematischen Comedians nicht mehr ganz so abenteuerlich wirkt wie früher. „Es verändert sich seit 2013 dramatisch“, sagt Judge fast bedauernd, „die guten alten Restaurants sind weg, aber ein kleines bisschen vom alten Austin ist noch da.“ Eine melancholische Beobachtung, die mir bekannt vorkommt; fast fühlt es sich so an, als sei Austin selbst ein Charakter in einem seiner Stücke, ein bittersüßer Zeuge des Wandels, der nicht Halt machen will.
In all dem Gespräch mit Judge nervt eine Sache: Seine Enthusiasmus klingt nie so, wie man es erwarten würde. Selbst bei der Rückkehr von „King of the Hill“ sprach er von Aufregung und Zweifeln, von der Angst, dass niemand die neue Staffel sehen wolle. Dabei sehnen wir uns doch genau nach diesen Geschichten, nach der vertrauten Stimme in einer amerikanischen Welt, die sich immer schneller und unübersichtlicher verändert. Dass die Rückmeldungen so positiv sind, scheint ihn zu überraschen – und doch beruhigt es ihn. Die Instinkte, die sie bei Bobby bewogen, aus einem Jungen einen Koch zu machen, stimmen offenbar.
Nicht jeder name-droppt die Hardcore-Punk-Band Minor Threat ganz nebenbei in einem Interview über Fernsehshows aus den Neunzigern, doch bei Judge wirkt alles wie aus einem Guss: Lebensechte Figuren, Zwischenwelten, ein bisschen Nostalgie vermischt mit scharfer Gesellschaftsbeobachtung. Die Generationen kommen und gehen, der Humor bleibt – und diejenigen hinter den Kulissen, die zeigen, wie man Idioten liebenswert macht, wie man das Absurde im Banalen findet und uns damit ein Lächeln aufs Gesicht zaubert.
Mike Judge hat mit „Beavis and Butthead“, „King of the Hill“ und „Common Side Effects“ in diesem Jahr gleich mehrere Fenster aufgestoßen. Dabei ist sein Tonfall zwar trocken, aber nicht kalt. Fast wie der Hinweis: Es geht weiter, man muss nur genau hinschauen – und wer weiß, vielleicht macht das Leben irgendwann sogar wieder ein bisschen mehr Spaß, wenn man die Welt durch die Brille eines alten Beavis oder eines erwachsenen Bobby betrachtet. Und vielleicht, nur vielleicht, ist es genau diese Mischung aus Nostalgie und Fortschritt, die uns jetzt gut tut. Kaffee, bitte.