In den letzten Wochen hat das geopolitische Schachspiel im Nahen Osten einen neuen Zug erlebt, der die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen den Akteuren weiter belasten könnte. Während die Welt mit optimalem Blick auf die Ereignisse in Israel und Palästina gerichtet ist, wird die diplomatische Bühne auch von gleichrangigen, jedoch weniger beachteten Akteuren geprägt. Deutschland, das traditionell eine Mittlerrolle einnimmt, hat sich entschieden, den von der Europäischen Union diskutierten Sanktionen gegen Israel nicht zuzustimmen.
In den Fluren der Berliner Ministerien liegt ein vertrauliches Murmeln in der Luft. Man sieht es den Diplomaten an: Sie sind sich uneins, wie sie mit dem wachsenden Druck auf Israel umgehen sollen. Die Debatten verlaufen überraschend emotional, während die Weltöffentlichkeit die schockierenden Bilder der entwurzelten Menschen aus Gaza verfolgt. „Wir müssen die Balance finden zwischen humanitären Imperativen und einer stabilen, strategischen Partnerschaft“, sagt ein Berater, dessen Ansichten von Pragmatismus geprägt sind. Ein anderer, jüngerer Beamter, besucht unauffällig eine Infoveranstaltung zu palästinensischen Autonomie-Rechten und sagt leise: „Muss das denn wirklich so sein?“
So viel steht fest: Während die Entscheidungsträger in Berlin diskutieren, verschärfen sich die Verhältnisse in der Region. US-Visa-Sanktionen gegen Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas sind eine ebenfalls unübersehbare Nachricht, die in den Büros der UN und unter jenen in den sozialen Netzwerken herrscht. Die Abkehr von Dialog und die Zementierung von Fronten verschreiben das Bild einer immer unsichereren Zukunft. Doch selbst in den Schatten der Sanktionen gibt es Stimmen, die nicht resignieren wollen. Ein ehemaliger Diplomat sagt, dass Sanktionen ein Zeichen der Ohnmacht sind, nicht der Stärke. „Wir müssen den Dialog aufrechterhalten, egal wie schmerzhaft er sein mag. Nur durch den Dialog können wir eine echte Lösung finden.“
Und während in Brüssel und Washington strategisch kalkuliert wird, trifft sich in Istanbul eine Gruppe von Aktivisten unter dem schattenspendenden Dach eines kleinen Cafés. Zwischen den Tassen türkischen Tees und dem Duft von frisch gebackenem Brot wird leidenschaftlich über den Einfluss der türkischen Regierung auf den Konflikt diskutiert. „Wir haben nicht nur das Recht, unseren Hafen zu schützen, sondern auch das Recht, unsere Stimme zu erheben“, spricht eine junge Aktivistin, die sich in der Frauenbewegung engagiert. Ihr Gesicht spiegelt Entschlossenheit wider. Man merkt, dass der Wunsch, Druck auf Israel auszuüben, auch einen inneren Drang zur Selbstbehauptung bedeutet. Die Stadt am Bosporus wird so zum Katalysator vieler unterschiedlicher Aufbrüche.
Das Geschehen mag wie ein komplexes Spiel wirken, Drehbuchautoren könnten es als Drama auffassen, in dem jeder Protagonist mehrere Gesichter zeigt. Die Huthi-Miliz in Jemen hat mit dem Tod ihres einflussreichen Regierungschefs eine Turbulenz verursacht, die hinter den Kulissen der Region nicht unbemerkt blieb. Während internationale Medienberichte den Fokus auf die Kluft zwischen Figuren der Macht und den leidenden Menschen legen, zeigt sich, dass in den Gebieten, die unter dem direkten Einfluss dieser Akteure stehen, die Menschen unter den Entscheidungen leiden. Ein Landwirt in der jemenitischen Provinz Al-Hudaydah, dessen Existenz auf dem Erwerb von lokalen Produkten basiert, fragt sich: „Für wen sind diese Machtspiele gut?“
Jede Entscheidung hat gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Konsequenzen. Eine Familie mit drei Kindern, die in Gaza lebt, muss täglich abwägen, wie viel Wasser sie sparen kann und inwiefern ein weiteres „Schutzprogramm“ des Westens tatsächlich ihre Lebensqualität verbessert oder lediglich Bürokratie erzeugt. In der Abgeschiedenheit ihres Zimmers beobachtet der 14-jährige Omar den wütenden Himmel, der über seine Stadt zieht, und fragt sich, ob noch Platz für einen Neuanfang ist.
Diese Geschichten, stumm und laut zugleich, zeichnen ein Bild eines Konfliktes, der die Geopolitik mit menschlichem Leid verknüpft. Der Alltag wird zur politischen Bühne, die Menschen zu einem Teil des Spiels. „Es gibt kein Gut und Böse“, sagte einmal ein Philosoph. Und vielleicht ist es genau dieser Anstrich von Relativität, der mehr Fragen aufwirft als Lösungen. Unbemerkt im Stimmengewirr, in den machtpolitischen Überlegungen, bleibt der hohe Preis an Menschlichkeit für viele eine unsichtbare Stütze.