XPeng G6: Chinesische Elektro-Offensive mit einem Hauch von Hightech-Magie
Dunkelblaue Abenddämmerung auf der Autobahn nahe München, das elektrische Summen eines Motors, das eher an eine leise, aber kraftvolle Präsenz erinnert als an den Brüller eines klassischen Verbrenners. Der neue XPeng G6 gleitet in fast schwereloser Präzision dahin, und mit einem Blick auf den digitalen Bordcomputer zeigt sich: Die vom WLTP-Testzyklus prognostizierten 316 Meilen Reichweite – umgerechnet knapp 510 Kilometer – sind hier nicht nur eine technische Zahl, sondern ein real erlebbares Versprechen. In Zeiten, in denen E-Autos oft noch am Reichweitenstress leiden, wirkt der G6 wie ein heimlicher Held der langen Strecken.
Der chinesische Hersteller XPeng hat sich in Europa, speziell im Vereinigten Königreich, mit dem G6 fest etabliert. Für den Einstiegspreis von rund 40.000 Pfund (leasingfähig ab 320 Pfund monatlich) positioniert sich der G6 in einem Segment, in dem es vor allem auf technologischen Anspruch und Alltagstauglichkeit ankommt. Und das paketiert XPeng mit einer erfrischenden Mischung aus Reichweite, Ladetechnik und innerer Veredlung – doch der spannendste Teil verbirgt sich unter der Haube.
Mit seinem 80-kWh-Akku und gleich zwei Elektromotoren liefert der G6 stattliche 481 PS und ein Drehmoment von 659 Newtonmeter, die in 4,1 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren. Das klingt nach Fahrspaß, nach dem Adrenalinrausch moderner E-Mobilität auf abgesperrter Rennstrecke. Doch auf den ersten Kilometern offenbart sich eine kleine Überraschung: Der G6 wirkt, trotz technischer Raffinessen wie der Doppelquerlenker-Vorderradaufhängung, ungewohnt zurückhaltend. Die Lenkung, so präzise sie technisch auch sein mag, bleibt emotionslos und ohne greifbares Feedback. Das Fahren fühlt sich „safe“ und solide an, aber eben wenig lebendig, als würde man in einem gut isolierten Hightech-Schiff sitzen, das eher gleitet als tänzelt. Für die dynamisch ambitionierte Fahrerhand mag das etwas enttäuschend sein, doch in der Kategorie der komfortablen Langstrecken-Limousinen ist das durchaus ein zugkräftiges Argument.
Auch das Interieur hat einen Schritt Richtung Premium gemacht: Die Kombination aus 15,6 Zoll großem Infotainment-Display und dem 10,25 Zoll messenden Instrumentencluster schafft eine moderne, übersichtliche Kommandozentrale ohne überflüssige Knöpfe – mit der Ausnahme jener auf dem ovoiden Lenkrad. Das Dashboard wirkt endlich nicht mehr wie ein Kunststoffkasten der unteren Preisklasse, sondern glänzt mit hochwertigeren Materialien und intensiverer Ambiente-Beleuchtung. Edler, klarer, freundlicher – ohne sich in Anspruch zu verlieren. Praktisch zudem der neue digitale Rückspiegel, der die mäßige Rundumsicht des Fahrzeugs deutlich verbessert. Ein großer Kofferraum mit 571 Litern Fassungsvermögen komplettiert den Alltagstauglichkeitsbonus, auch wenn die beim Elektrotrend beliebten „Frunk“-Stauräume hier fehlen.
Im Außenkleid zeigt sich der G6 seit dem Update mit markanten Designelementen: Eine durchgehende LED-Lichtleiste schmückt die Front, während das Heck mit einem neuen Ducktail-Kofferraumdeckel und einem ausgeprägten Diffusor einen stärkeren optischen Auftritt schafft. Das Understatement eines gut designten SUV-Coupés – modern, dynamisch, aber nicht protzig. Die Maße von 4,76 Metern Länge und knapp 1,9 Metern Breite verorten den G6 im gut handhabbaren Mittelklasse-Segment, das gerade für die europäische Stadt- und Autobahnwelt ein optimales Format darstellt.
Was das Laden betrifft, so überrascht der XPeng mit einer Spitzentechnologie, die in der Praxis beeindruckt: Das Laden von 10 auf 80 Prozent erfolgt in gerade mal 12 Minuten an extrem schnellen 451-kW-Säulen. Das macht die langen Strecken nicht nur möglich, sondern reduziert die Pausen auf ein Minimum – ein nachhaltiger Vorteil gegenüber manch hiesiger High-End-Konkurrenz.
Der G6 wird erst Anfang 2026 offiziell in Großbritannien mit dem aufgefrischten Modell „AWD Performance“ erwartet, wobei der Preis prognostiziert bei etwa 49.000 Pfund liegen soll. Damit legt sich XPeng nicht nur selbst eine spannende Messlatte, sondern schickt sich an, die etablierten deutschen Premiumanbieter BMW oder Audi preislich und technisch herauszufordern – und selbst Tesla zu unterbieten. Ein mutiger Schritt, der die Elektromobilitätslandschaft kräftig durchrütteln könnte.
XPeng zeigt damit exemplarisch, wie chinesische Hersteller auf dem europäischen Markt angekommen sind: technisch innovativ, preislich attraktiv und verbunden mit einem Gespür für die Alltagsbedürfnisse der Kunden. Nicht immer drängt sich dabei fahrdynamische Rasantheit in den Vordergrund, sondern Effizienz, Reichweite und Benutzerfreundlichkeit – Werte, die gerade im urbanen Umfeld und auf Langstrecken längst zu den entscheidenden Kaufargumenten zählen.
Und so bleibt der XPeng G6 nach der Testfahrt ein faszinierendes Stück moderner Mobilität: Ein Fahrzeug, das mit Technik glänzt, mit Reichweite punktet und den Anspruch hat, bezahlbare Elektroluxuslichkeit zu bieten. Die fahrerische Leidenschaft mag etwas hinter der nüchternen Alltagskompetenz zurückstehen, doch als Ausdruck einer neuen Ära elektromobiler Vernetzung und Wettbewerbsdynamik hinterlässt der G6 seinen stilvollen Eindruck – leise, schnell und mit einem digitalen Herz, das den Puls der Zukunft schlägt.
Im Schatten der Dämmerung rollt der XPeng G6 weiter, nahezu lautlos, aber mit einer Präsenz, die neugierig macht. Es ist die stille Ankündigung einer Fahrzeuggeneration, die das elektrische Fahren nicht nur neu definiert, sondern auch einer vielfältigen Mobilitätskultur den Weg ebnet – sanft, effizient, bereit für die nächste große Strecke.