In den weitläufigen Hallen eines trendigen Coworking-Spaces in Brooklyn sitzt Maziar Mike Doustdar entspannt zwischen Würfeln aus nacktem Beton und designerhaften Pflanzenkübeln, die mit ihrem angenehmen Grün versuchen, das raue Stadtbild hinter den Fenstern vergessen zu machen. Hier, fast am anderen Ende der Welt von Kopenhagen, hat der 44-Jährige ein neues Kapitel eröffnet – eines, das mehr erzählt als nur die Geschichte eines Wechselspiels zwischen Tradition und Innovation. Denn Mike Doustdar ist nicht irgendein führender Manager; er ist die erste nicht-dänische Führungskraft in der Geschichte eines der vielleicht eigentümlichsten und gleichzeitig erfolgreichsten Unternehmen Skandinaviens.
Die Rede ist von Vestas, dem dänischen Windkraftgiganten, der seit Jahrzehnten die Elemente bändigt, um saubere Energie zu erzeugen. Sein langsames, aber sicheres Wachstum hat Vestas zur weltweiten Nr. 1 in der Windindustrie gemacht – ein Beweis für die stille, fast stoische dänische Effizienz. Doch jetzt, mit Doustdar an der Spitze der amerikanischen Aktivitäten, beginnt eine neue Ära, die weniger von skandinavischer Gelassenheit als von urbaner Dynamik geprägt ist.
Die USA – eine Bühne, die für Vestas nichts weniger als ein Prüfstein ist. Die Herausforderungen hier sind vielfältig, verwoben mit einer politischen Landschaft voller Widersprüche und einem Markt, der so riesig wie fragmentiert ist. Am Rand der Hudson River Promenade kann Maziar regelrecht spüren, wie die amerikanische Energiepolitik im Fluss ist, oft geprägt von kurzfristigen Interessen, ärgerlichen Regulierungen – und einer stets spürbaren Skepsis gegenüber allem, was als „grün“ gilt.
Doustdar, der in Dänemark studierte, aber seine Wurzeln im Iran hat, trägt eine Art kulturellen Rucksack mit sich, der ihm nun zugutekommt. Seine international geprägte Biografie ist fast prototypisch für jemanden, der Brücken bauen muss: zwischen Kulturen, Märkten, Erwartungen. „In den USA geht es nicht nur um Technik, sondern um Menschen, um Geschichten, um Identitäten“, sagt er in seinem fließenden Englisch, das mit einem dezenten dänischen Akzent gewürzt ist. „Hier entscheidet nicht nur der Preis über den Erfolg, sondern das Verständnis für die Gemeinschaft und ihre Werte.“
Wer ihn erlebt, sieht einen Manager, der in der Lage ist, komplexe Sachverhalte mit einer gewissen Leichtigkeit zu entwirren – als spräche er nicht mit einem Maskottchen multinationaler Klimaträume, sondern mit einem alten Freund. Eine Szene bleibt besonders haften: Bei einem der ersten größeren Termine in Texas, wo der Bau einer riesigen Windfarm ansteht, stand Doustdar plötzlich zwischen skeptischen Ranchern, die seit Generationen auf dem Land lebten. Keine Marketing-Slogans, kein Blabla, nur ehrliches Zuhören. Dieses Gespräch hat viel über die Balance gelehrt, die Vestas in den USA braucht – und Doustdar verkörpert sie.
Das Spannungsfeld zwischen Tradition und Neuerung durchzieht auch sein tägliches Handeln. Vestas hat lange Jahre von vielen als das dänische Pendel in der Energiewelt gegolten: nie zu laut, aber konsequent, bedacht, eben typisch nordisch. Doch Doustdars Ankunft ist mehr als nur ein neues Gesicht. Sie markiert die notwendige Öffnung gegenüber einer Welt, die sich schneller dreht, die innovativer und manchmal auch lauter sein muss, um gehört zu werden.
In einer Zeit, in der globale Krisen zwingen, den Kurs radikal zu hinterfragen, wirkt dieser Wechsel fast symptomatisch für das größere Bild des Wandels. Windkraft – diese technologisch fast poetische Verheißung – steht nicht mehr nur für saubere Zukunft, sondern für die komplexen Verflechtungen von Politik, Kultur und Wirtschaft. Amerikas Markt verlangt von Vestas nicht bloß technische Exzellenz, sondern auch Fingerspitzengefühl.
Man hört oft, dass das große Problem der grünen Bewegung die Herkunft ihrer Akteure ist – zu akademisch, zu elitär, zu entfernt von den Sorgen der Menschen. Doustdar dagegen trägt ein kleines Paradoxon in sich: Er verbindet diese Welten, den akademischen Anspruch und die Bodenhaftung derjenigen, die den Wind nicht nur als Ressource, sondern als tägliche Realität erleben. An einem kühlen Morgen steht er auf der Baustelle einer neuen Windanlage nahe dem Ohio River, seine hellen Augen konzentriert auf die rotierenden Flügel. Für einen Moment scheint er nicht nur Manager zu sein, sondern Vermittler einer Idee, die weitaus mehr verlangt als technische Perfektion – nämlich Geduld und Empathie.
Die Herausforderung bleibt groß. Die USA sind ein ungeschliffener Diamant, dessen Facetten erst noch präzise herausgearbeitet werden müssen. Vestas hat hier viel zu beweisen, und Doustdar ist der Mann, der dieses sensible Gleichgewicht halten soll. Dass er dabei auf seine kulturelle Vielfalt zurückgreifen muss, ist kein Zufall, sondern vielleicht der Schlüssel zu einem zunehmend fragmentierten globalen Markt.
Und so bleibt der Blick hinter die Kulissen dieses Unternehmens mehr als nur eine Geschichte über Windräder oder Manager. Es ist eine Erzählung über das Leben in Zeiten des Umbruchs, über Menschen, die versuchen, in großen Strömungen nicht einfach mitgetrieben zu werden, sondern zu navigieren – leise, sicher, mit der Hand am Steuer und dem Wind im Rücken. Maziar Mike Doustdar stellt sich dieser Aufgabe, mit einer Mischung aus Respekt vor dem Gewesenen und der Neugier auf das Kommende. Eine Balance, die kaum leichter wird in einem Land, das Wind oft nur dann bemerkt, wenn er durch seine Straßen pfeift und die Dinge kräftig durcheinanderwirbelt.