Vor den leuchtend kalten Bildschirmen, wo Meldungen in endlosen Flussschriften über die Nachrichtenbänder laufen, sitzt ein Mann in den düsteren Korridoren der amerikanischen Seuchenbekämpfung. Robert F. Kennedy Jr., ein Name, der lange für Umweltaktivismus und kontroverse Familiengeschichte stand, hat sich an die Spitze der mächtigen Institution gesetzt, die für den Schutz der öffentlichen Gesundheit steht: die Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Es ist eine Position, die einst Inbegriff wissenschaftlicher Unfehlbarkeit war, doch unter seinem Kommando entfaltet sich eine Krise, die mehr als nur institutionelle Risse offenbart.
Man kann kaum über die jüngsten Turbulenzen bei der CDC schreiben, ohne zurückzublicken auf einen der schillerndsten und zugleich widersprüchlichsten Momente im politischen Amerika der letzten Jahre – den Aufstieg und die Präsenz von Donald Trump in der Öffentlichkeit. Trump, dessen Präsidentschaft geprägt war von einer beinahe kultischen Anhängerschaft und einer ebenso vehementen Ablehnung, hat in der Pandemiezeit eine besonders auffällige Haltung eingenommen: Er umarmte die antivaccine Bewegung, die vor allem in den sozialen Medien eine enorme Dynamik entwickelte. Wo einst wissenschaftlicher Konsens und evidenzbasierte Medizin regierten, eröffnete Trump eine Tür für Zweifel, Misstrauen und Verschwörungserzählungen.
Das Echo dieser Entscheidungen hallt bis heute nach. Der Kampf gegen Corona, der eigentlich eine gemeinsame, überparteiliche Kraftanstrengung hätte sein sollen, wurde yankeehaft gespalten. Für viele Amerikaner wurde die Impfung nicht mehr allein zur Frage des Gesundheitsschutzes, sondern zum Symbol politischer Identität. Eingebettet in dieses Spannungsfeld ist RFK Jr., der nun das Ruder in einer Institution hält, die inmitten der zweiten Pandemie-Welle so viel Vertrauen verloren hat wie lange nicht.
Bei einem Spaziergang durch die Hallen der CDC, so sagen Insider, sei die Atmosphäre verändert. War es früher ein Hort der nüchternen Wissenschaftlichkeit, prägen nun Auseinandersetzungen und Misstrauen die Luft. Mitarbeiter berichten, dass die Führung unter RFK Jr. zunehmend von seiner antivaccine Haltung geprägt sei. Die Wissenschaft, so der Vorwurf, werde zugunsten einer ideologischen Agenda zurückgedrängt. Einige der erfahrensten Forscher haben bereits die Konsequenz gezogen oder sind an einem Punkt angekommen, an dem sie sich fragen, ob sie weiterhin Teil eines Apparates sein können, der seine eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt.
Vielleicht ist es keine Übertreibung, zu sagen, dass sich ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Risses in einer ausgesprochen symbolträchtigen Institution abzeichnet. Die CDC war jahrzehntelang ein Leuchtturm, der Orientierung in Zeiten von Epidemien und Gesundheitskrisen bot. Jetzt ist sie in einer Identitätskrise gefangen – wie ein Künstler, dessen Muse plötzlich verstummt ist. Man beobachtet, wie aus inneren Konflikten langsam eine Institution zerfließt, die sich einst unerschütterlich gab.
Dabei ist das Dilemma, das sich hier zeigt, weit mehr als eine amerikanische Geschichte. Es ist die Geschichte einer Zeit, in der Wissen und Zweifel, Vertrauen und Skepsis gegeneinander ausgespielt werden. Wo politisches Kalkül und ideologische Überzeugung die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis verwischen. Robert F. Kennedy Jr. verkörpert diesen Konflikt fast wie eine Metapher. Sein Name steht zwischen der Tradition eines politischen Dynastengeschlechts und der Brandmarkung als Widersacher der herrschenden Wissenschaft.
In einem kleinen Büro, das von Berichten, Studienergebnissen und epidemiologischen Karten überquillt, sitzt eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben will. Sie erzählt von der Traurigkeit, die unter den Kollegen wohnt. Nicht die politische Richtung mache Sorge, sagt sie leise, sondern die Ungewissheit, ob die Institution unter der neuen Führung überhaupt noch als verlässlicher Garant funktionieren kann. Ihr Blick schweift aus dem Fenster, wo der amerikanische Herbst den Himmel verhängt. Ein kalter Wind zieht durch den Bundesstaat Georgia, der CDC-Heimat.
Und so bleibt die Frage, wie ein Land, das so sehr auf Wissenschaft und Fakten angewiesen ist, aus der Spirale von Zerwürfnis und Misstrauen wieder herausfinden kann. Während RFK Jr. an ihrer Spitze steht, scheint die traditionelle Rolle der CDC als Hüterin der öffentlichen Gesundheit auf dem Spiel. Die Pandemie hat längst gezeigt, wie fragil dieses Geflecht aus Wissen, Vertrauen und politischem Willen sein kann. Nun erlebt man, wie diese Fragilität nicht nur für eine Stunde, nicht nur für ein Jahr beweisbar wird, sondern als Spiegel einer tiefen gesellschaftlichen Spaltung.
Vielleicht braucht es nicht nur jemanden, der Fakten präsentiert, sondern eine Institution, die den Mut hat, Brücken zu bauen – zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, zwischen Misstrauen und Vertrauen. Ob dieser Weg unter RFK Jr. noch beschritten werden kann, ist die Frage, die hinter den sterilen Fluren der CDC verhallt. Eine Frage, die das Schicksal einer Nation berührt, die sich selbst auf einem gefährlichen Pfad der Entfremdung wähnt. Und die zugleich daran erinnert, dass Gesundheitskrisen nicht nur medizinische Herausforderungen sind, sondern auch und vor allem soziale.