In der Hauptzentrale von Rheinmetall, Europas größtem Rüstungskonzern, in Düsseldorf sind die Wellen schlagartig ruhiger geworden. Die großen Pläne, die in den letzten Monaten lautstark verkündet wurden, bleiben im ersten Halbjahr 2023 auf der Strecke. Trotz der geopolitischen Situation, die eigentlich einen Auftragsboom für Verteidigungsunternehmen hätte auslösen müssen, hagelt es enttäuschende Zahlen. Im Konferenzraum, umgeben von grauen Wänden und modernen Displays, nehmen die leitenden Angestellten Platz. Ihre Mienen verraten es sofort: Die Stimmung ist angespannter als sonst, fast schon nervös.
Armin Papperger, der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, sitzt am Kopf des langen Tisches. Er ist ein Mann, dessen Präsenz sowohl durch seinen scharfen Blick als auch durch seine unaufdringliche, aber eindringliche Stimme geprägt ist. „Wir erleben hier die Ruhe vor dem Sturm“, sagt er, als die Diskussion über die aktuellen Auftragszahlen ihren Anfang nimmt. Die Worte, die aus seinem Mund kommen, klingen gleichzeitig optimistisch und besorgt. Papperger glaubt an die steigende Nachfrage aufgrund des Ukraine-Kriegs, der die gesamte Branche in Aufruhr versetzt hat. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
Die Auftragslage, so berichtet der Konzern, hat im ersten Halbjahr nicht den erhofften Schwung. Eine stille Bestürzung breitet sich im Raum aus. Man stellt sich vor, wie in den vergangenen Jahren das Telefon ständig geklingelt hat, während die Verträge, wie Schmetterlinge in der Sommerluft, zu den Schreibtischen der Vorstände flatterten. Es ist eine andere Zeit, in der Rheinmetall noch einen unermüdlichen Optimismus ausstrahlte. Jetzt fragt man sich, ob die angekündigten Programme zur Aufrüstung tatsächlich Realität werden oder nur eine Illusion inmitten politischer Rhetorik sind.
Mit einem Blick aus dem Fenster sieht man die Rheinmetall-Fabrik in der Ferne – ein Komplex aus Stahl und Glas, der die militärische Moderne verkörpert. Der Anblick ist beeindruckend, aber auch trügerisch. Hinter diesen Mauern wird an Technologien gearbeitet, die in Krisenzeiten dringend benötigt werden. „Wir müssen bereit sein“, sagt Papperger. „Die Zahlen haben zwar nicht den gefallen, den wir erhofft hatten, aber die Krisen, die uns umgeben, machen uns stärker.“
Die Besuche in der Produktion sind ein weiterer Teil von Pappergers Strategie. Hier, in den Hallen der Fertigung, atmet man den Duft von Maschinenöl und Eisen. Der Lärm der laufenden Produktionsanlagen mischt sich mit dem Radau der Arbeiter, die an den verschiedenen Stationen ihrer Arbeit stehen. Die Hände der Techniker sind geübt, fast tänzerisch bewegen sie sich, während sie mit präzisen Bewegungen an den Komponenten arbeiten. Es ist eine Welt, in der jeder Handgriff zählt und wo die Verpflichtung zur Qualität großgeschrieben wird. „Wir bauen für unsere Kunden das Beste“, sagt einer der Arbeiter, während er eine Waffe montiert. „Das ist unsere Verantwortung.“
Die Menschen hier haben einen starken Glauben an den eigenen Beitrag zur nationalen Sicherheit. Trotz der Unsicherheiten, die über dem Unternehmen wie ein Gewitter hängen, scheinen die Arbeiter überzeugt, dass ihre Produkte unverzichtbar sind. Es entstehen Verbindungen, die auf Loyalität basieren. Aber dort, wo es Arbeit gibt, wo Menschen beschäftigt sind, gibt es auch Skepsis. Ein paar Stimmen hinter verschlossenen Türen murmeln, dass die politischen Versprechen in der Realität oft kleinlaut verstummten.
Die Frage bleibt: Was ist aus dem ewigen Versprechen geworden, den Militärhaushalt kräftig zu erweitern? Sicher, die Verteidigungspolitik hat sich gewandelt, nicht zuletzt durch die russische Aggression gegen die Ukraine. Doch der Weg zur Auftragsflut bleibt holprig. Es fragt sich, wie lange die Vertuschung der Nachfrage und der Bestellungen durch leidenschaftliche Versprechen und Ansagen von Unternehmensführern tragen kann. Der Markt ist unberechenbar, und dennoch stehen die Zeichen auf Hoffnung.
Dennoch, in den Fluren von Rheinmetall haften die Hoffnungen wie alte Plakate an den Wänden. „Das sind die Hintergründe,“ murmelt ein Analyst in einer ruhigen Ecke des Unternehmens. „Die Bürokratie und die langwierigen Vergabeverfahren sind nicht zu unterschätzen. Wenn man im Verteidigungsgeschäft operiert, hat man kaum die nötige Flexibilität, um schnell auf diese Situationen zu reagieren.“ Ein weiterer Kontrakt wird erwartet, aber ob diese Auftragsflut eintreffen wird, bleibt im Nebel der Hoffnung und des Zweifels verborgen.
Und so arbeitet Rheinmetall weiter, angefeuert von dem zarten Vertrauen in die Zukunft, mit dem Wissen, dass mehr als nur Worte benötigt werden, um aus der Ruhe vor dem Sturm die erhoffte Flut an Aufträgen zu erzeugen. Ein neues Vertrauensspiel hat begonnen, und die Protagonisten auf diesem Spielfeld sind gleichermaßen Spieler und Schachfiguren in einem vielschichtigen geopolitischen Schachspiel. Rheinmetall mag die großen Ambitionen hegen, aber im Land der Aufgaben zeigt sich, dass der Weg zum Ziel alles andere als gerade ist.