In einem hellen, modernen dm-Markt in einer zentralen Fußgängerzone einer deutschen Stadt zieht ein Regal mit bunten Verpackungen die Blicke der Passanten an. Es ist ein unübersehbares Signal: Hier sind die Produkte von Sheglam, einer Tochtermarke des umstrittenen Modeunternehmens Shein, eingezogen. In der Welt der fast schon grell beleuchteten Drogeriemärkte ist dies mehr als nur ein weiterer Produktlaunch – es ist ein spannungsgeladener Experimentierraum für scheinbare Widersprüche. Der Duft von frischen Blumen und der Anblick von aufgeregten Käufern schaffen eine fast euphorische Atmosphäre, während die Realität der Konsumgesellschaft fast greifbar wird.
Die dm-Drogeriekette hat sich über Jahre hinweg einen Ruf erarbeitet, der auf Nachhaltigkeit, Regionalität und einem gewissen Lebensstil basiert. Die lila Unverpackt-Station hat ebenso gesunde Produkte abseits der Massenware hervorgebracht wie das Engagement für faire Handelspraktiken. Doch hier, inmitten der hellen Regale, blitzen die bunten Verpackungen der Sheglam-Produkte. Sie scheinen fast wie ein Überbleibsel aus einer anderen Welt, einer Welt, in der Fast Fashion und Wegwerfmentalität regieren.
„Wir möchten unseren Kunden eine größere Auswahl an Kosmetikprodukten bieten“, erklärt eine Verkaufsmitarbeiterin mit einem Lächeln, das sowohl Begeisterung als auch ein wenig Anspannung verrät. Es ist nicht nur Camille, die hier arbeitet; es ist das gesamte dm-Team, die einen Balanceakt vollbringen, auf einem schmalen Grat zwischen Unternehmensethik und dem Streben nach Umsatz. „Die Nachfrage ist da“, fügt sie hinzu, „und wir müssen auf die Trends reagieren.“ Doch welches Signal sendet dm, wenn sie sich mit Sheglam, einer Marke, die im globalen Umfeld von Kritik und Misstrauen lebt, verbündet?
In den sozialen Medien hagelt es Gemischtes aus Bewertungen, von Lob für die Palette an Farben und Texturen bis zu scharfer Kritik wegen der fernöstlichen Produktionsbedingungen und der damit verbundenen Umweltbelastungen. Kund*innen diskutieren hitzig, ob man trotz der attraktiven Preise und innovativen Produkte mit einem Label, das für Billigproduktion und schnelle Warenzyklen steht, kooperieren sollte. „Jeder Euro, den ich bei Sheglam lasse, ist ein Bekenntnis zu dieser Produktionsweise“, spiegelt eine junge Frau in einem Kommentar unter einem Instagram-Post wider. Es ist der innere Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach individueller Verschönerung und dem Bewusstsein für nachhaltige Werte.
In der City bleibt der dm-Markt keineswegs der einzige Ort dieser strittigen Debatte. Während die Kosmetikregale der Drogeriekette auf strahlende Farben prallen, haben einige der führenden Umweltorganisationen und NGOs bereits Kritik geübt. Sie warnen vor einem „grünen Waschen“ und fragen sich: Ist es möglich, mit einem Unternehmen zusammenzuarbeiten, dessen Tochtermarke in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen Konsum und ökologischen Grundsätzen steht? Das Konzept der Nachhaltigkeit beginnt in solch einem Umfeld diffus zu werden, es wird zum Spiel mit Worten und Images.
In einem Café in der Nähe, wo ein kleiner Plattenladen im Hintergrund leise Jazz spielt, sitzen zwei Freundinnen, eine Veganerin und eine Modebewusste, die sich über die neuesten Trends austauschen. Die eine schätzt die Innovationskraft von Sheglam, die andere warnt vor den ökologischen Fußabdrücken solcher Produkte. „Es ist problematisch. Wir haben uns an die Idee gewöhnt, dass Nachhaltigkeit und Stil zusammengehören, aber hier wird eine Grenze überschritten“, sagt die Veganerin nachdenklich. Die Diskussion dreht sich nicht nur um die Marke selbst, sondern auch um den schmalen Grat, den dm als Einzelhändler geht, während sie sich unter dem Druck von Konsumverhalten und Marktanalysen bewegen.
In einer Zeit, in der der Druck auf Unternehmen wächst, sich nachhaltig zu positionieren, verwandelt sich die Handelslandschaft in ein Labyrinth, in dem strategische Entscheidungen nur schwer zu fassen sind. Es ist ein Spiel, bei dem die Regeln möglicherweise schon längst in den Händen von Algorithmen und Marktanalysen liegen. Wo bleibt der Mittelpunkt, wenn die Moral und das Geschäft zunehmend auf Kollisionskurs sind? „Wir vertrauen darauf, dass unsere Partner sich an Qualitätsstandards halten“, lässt sich der Bereichsleiter von dm zitieren. Doch in einer Welt, in der die Transparenz oft nur eine Illusion ist, wie vertrauenswürdig sind diese Partner wirklich?
Camille legt eine Sheglam-Lippenfarbe in ihren Warenkorb. In diesem Moment verfestigt sich der Gedanke, dass der individuelle Konsum oft die Zusammenhänge verblassen lässt, die großen Schatten über dem schnellen Kauf von Farben und Konsumgütern werfen. Während an der Kasse das Geräusch des Registrierkassens Gerätes zu hören ist, mischt sich das grelle Licht mit den ehrlichen Gesprächen der Kaufenden. Der Konflikt zwischen nachhaltigen Werten und der Verlockung des Schönen ist kein einfacher. Er spiegelt sich wider im Alltag, versteckt sich zwischen den Regalreihen und hinter den bunten Verpackungen, bleibt aber nicht länger ungesehen.
Wo Menschen beim Einkaufen miteinander interagieren, da lebt auch der Streit um Werte. Und genau in diesem Spannungsfeld, zwischen dem Verlangen nach Neuem und dem Streben nach einem verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Konsum, entfaltet sich die gesamte Tragweite der aktuellen Entwicklungen bei dm und Sheglam. Die bunten Produkte könnten nur der Anfang eines größeren gesellschaftlichen Wandels sein. Es bleibt abzuwarten, ob diese neue Allianz zwischen dm und Sheglam die Kunden wirklich überzeugt oder ob sie noch lange ein Thema heißer Debatten bleiben wird. In dieser neuen Welt der Drogeriekette wird klar: Hier ist nicht nur der Kauf gefragt – hier ist die Entscheidung für oder gegen eine Haltung, die sich nicht nur im Regal widerspiegelt, sondern auch in den Herzen der Käufer.