Ein sanfter Frühlingsnachmittag in einem Vorort von Hamburg. Die Sonne wirft goldene Strahlen über die recent renovierten Reihenhäuser, in denen sich, auf den ersten Blick denkbar gegensätzlich, zwei Generationen treffen: die Eltern in den besten Jahren ihres Lebens und die erwachsenen Kinder, die noch auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt sind. Sabine und Klaus, beide Mitte fünfzig, sitzen auf ihrer Terrasse, eine Tasse Kaffee in der Hand, während ihr Sohn Lukas am Tisch nebenan an seinem Laptop sitzt und in ein Online-Seminar über digitale Marketingstrategien vertieft ist. „Ich weiß nicht, wie lange ich das noch machen kann“, murmelt Lukas, während er den Bildschirm anstarrt, der ihm keine Antworten liefert.
Dieser Konflikt – das Ringen um finanzielle Stabilität und Autonomie der eigenen Kinder – ist in vielen Haushalten zum sozialpsychologischen Brennpunkt mutiert. Immer mehr Eltern sind bereit, sich nach Kräften zu engagieren, um ihre Kinder zu unterstützen, sei es durch finanzielle Zuschüsse für Miete, Studium oder sogar für den ersten Hauskauf. Einen neuen Trend in der Finanzberatung macht hierzulande die Runde: Es sei in Ordnung, den eigenen Kindern finanziell unter die Arme zu greifen. Warum sollte man nicht bereits früh mit dem Sparen beginnen, um diese Unterstützung zu ermöglichen?
Aber was steckt hinter dieser Haltung? Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: Laut einer Umfrage der Deutschen Bank leben noch immer 23 Prozent der 25- bis 35-Jährigen im elterlichen Zuhause. Für viele junge Erwachsene ist der Weg in die finanzielle Unabhängigkeit beschwerlich – Mieten in Großstädten schießen in die Höhe, Studiengebühren senken das eigene Budget, und oft dauert es Jahre, bis eine berufliche Laufbahn so etabliert ist, dass man ökonomische Sicherheit verspüren kann. Die Konsequenz: ein Generationenvertrag, der nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf finanzieller Ebene geschlossen wird.
Der Blick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten irritiert dabei: Die Bundesbank meldete einen Anstieg des Vermögens in Deutschland, jedoch verteilt auf eine immer schmalere Schicht. Die Kaufkraft sinkt bei den unteren Einkommensgruppen, während die Vermögenskonzentration in den Händen wohlhabenderer Familien zunimmt. Die Frage bleibt, welchen Platz oder Wert man seiner Familie in diesem Spannungsfeld einnennen möchte. “Es gibt die Möglichkeit, dass man zwei Gehälter scaffoldet, um den Sprung ins eigene Leben zu schaffen”, erklärt Klaus. Sabine nickt: „Ich möchte meinen Kindern nicht den Weg versperren, nur weil die Welt so teuer geworden ist.“
Lukas, der sich in diesem Spannungsfeld bewegt, fühlt sich einerseits dankbar für die Unterstützung, andererseits macht sich ein gewisses Unbehagen breit. Immer wieder wird ihm bewusst, dass er sich in einer Abhängigkeit befindet, die er nur schwer durchbrechen kann. Warum sollte er sich also anstrengen, wenn seine Eltern bereit sind, ihm finanziell unter die Arme zu greifen? Die Frage nach dem persönlichen Leistungsanspruch wird für ihn mit jedem Jahr prägender.
Experten warnen gerade bei solch familiären Finanzeringen vor einem schleichenden Verlust der Eigenverantwortung. „Es ist wichtig, eine Balance zu finden“, betont die Finanzberaterin Eva Hermann. „Eltern sollten bereit sein, Hilfe zu leisten. Aber es darf nicht zulasten der Eigenständigkeit ihrer Kinder gehen.“ Ein Dilemma, vor dem viele Eltern stehen und das auch das Konsumverhalten in der Gesellschaft beeinflusst. Das Modell von „Retirement-Planning“ ist mittlerweile oft Schenkgeld-Planning. Die Investition in die eigenen Kinder wird für viele Eltern zur Lebensaufgabe.
Gleichzeitig beleuchten gesellschaftliche Trendentwicklungen: Die Zeiten des „self-made man“ scheinen passé. Ein Siegeszug der Networking-Wirtschaft, des Kollektivs und der temporären Zusammengehörigkeit prägt die moderne Vorstellung von Erfolg und Sinn. Ein Freund sollte doch auch einfach in der Lage sein, seinem Freund zu helfen. Experten kritisieren jedoch, dass dies die Messlatte für die betreffende Generation zu weit unten ansetzt. „Wir müssen lernen, dass Lebensnaherfolg nur in Beziehungen funktioniert“, sagt Hermann. Und so wird auch die Komplexität der elterlichen Unterstützung über das bloße Finanzielle hinaus zum aktuellen Thema.
Letztendlich bedeutet es, dass das Geld auf einem gemeinsamen Konto ein Versprechen darstellt – ein Versprechen, dass man sich als Familie gegenseitig unterstützt, egal in welchem wirtschaftlichen Klima man sich befindet. Ob das in der Zukunft für alle Beteiligten lehrreich oder bevormundend wird, bleibt fraglich. Doch die Vorurteile, dass Eltern den Kindern die Eigenverantwortung abnehmen, werden mehr und mehr hinterfragt. In einer Zeit, in der individuelle Lebenswege vielfältig und unerwartet sind, könnte es nicht gerade dieser überlegte finanzielle Rückhalt sein, der junge Menschen dazu ermutigt, Mut zu fassen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen – jenseits von Wohnungsverträgen und Schuldenängsten.
Und so sitzen Sabine, Klaus und Lukas jenseits ihrer finanziellen Anspannungen, genießt die späten Sonnenstrahlen. Eine kurze Stille. „Was, wenn ich mein eigenes Unternehmen gründen möchte?“, fragt Lukas. Schwierig, aber unterstützenswert, überlegt Klaus – und mit einem Lächeln bietet er an, ihm bei den ersten Schritten zu helfen. Es ist eine Entscheidung, die sowohl dem individuellen Aufbruch des Sohnes als auch der familiären Bindung gerecht wird. Ein Modell, das nicht nur finanziell, sondern auch emotional ganz neue Wege eröffnet.