Die Straße ist ihr Spielfeld, der Motor ihr Rhythmusgeber. Manchmal dröhnt die Stimme einer Platte aus dem Autoradio, irgendwo schrammelt ein Bluesriff über die Jahre und Kilometer hinweg, erinnert an vergangene Zeiten. Dort, hinter dem Steuer eines Cadillac Eldorado Biarritz von 1976, sitzt Sue Barker, einst eine Ikone auf den Tennisplätzen der Welt, heute eine Retterin amerikanischer Klassiker auf vier Rädern.
Es sind nicht einfach nur Autos, die hier rollen, sondern Geschichten in Blech und Chrom. Vor mehr als drei Jahrzehnten kaufte Sue zwei vintage Cadillacs – Namen wie Relikte aus einer anderen Ära, als Amerika mit seinen Autos eine jugendliche Melancholie verströmte, die heute fast schon mythisch wirkt. Pflege, Schweiß, Ersatzteile – was Folgejahre später auf jeden Fall bleibt, ist die tiefe Verbundenheit zu einem dieser Wagen. Einen hat sie „Mama“ getauft, nach ihrer Mutter, einer Frau, die ihr mehr gegeben hat als nur Leben.
Dass eine ehemalige Profi-Tennisspielerin sich in dieser Liebe zum Nostalgischen verliert, klingt zunächst so unwahrscheinlich wie ein Netzroller jenseits der Grundlinie bei einem Grand Slam. Doch daraus wird schnell eine poetische Gleichung: Präzision, Ausdauer, Leidenschaft – Eigenschaften, die man beim Tennis und bei der Pflege eines jeden Oldtimers braucht. Jedes kleine Rattern, jede feinjustierte Schraube und jeder Tropfen Motoröl, den sie investiert, sind ein Akt der Zuwendung und Erinnerung.
Sue erzählt, wie sie damals beim Kauf von „Mama“ und dem zweiten Cadillac eher impulsiv handelte. Sie war fasziniert vom Glanz vergangener Tage, tauchte ein in die Welt der Cadillac-Community, bei Treffen und Ausfahrten. Doch schon bald wurde aus einer Sammelleidenschaft ein Lebensprojekt. Wochenends verbringt sie Stunden in ihrer Garage, tiefer versunken als in jede Trainingsroutine oder Matchvorbereitung je möglich war. „Es ist, als würde ich mir und meiner Vergangenheit einmal im Monat erlauben, langsamer zu werden“, sagt sie leise, während sie den Motor des Eldorado zum Leben erweckt.
Diese Autos sind nicht nur Fahrzeuge. Sie sind Zeitfenster. Durch Scheiben und gelenkte Kurven wähnt man sich zurückversetzt in die goldenen Zwanziger oder das amerikanische Lebensgefühl der 70er Jahre, als Cadillacs den Horizont der Freiheit symbolisierten – raumgreifend, elegant und doch mit einem Hauch Rebellion. „Mama“ trägt deshalb nicht nur den Namen ihrer Mutter, sondern auch ein Stück Identität und Familiengeschichte. Wenn sie das Lenkrad umklammert, fällt der Lärm des Alltags ab, und irgendwo in der Melodie des Motors komponiert sich ein leises „Danke“ an all jene, die sie geprägt haben.
Es ist die stille Ode an die Beständigkeit, die im lauten Rausch der Gegenwart fast verloren geht. Manchmal stehen die Cadillacs vor dem Haus, glänzen im Sonnenlicht und erzählen von den Geschichten, die Sue auf und abseits der Tennisplätze geschrieben hat – Geschichten von Siegen und Niederlagen, von Talent und Hingabe. Und dann ist da noch die ironische Leichtigkeit, mit der sie sagt: „Ein Auto mag alt sein, aber es macht mehr Spaß, als einen Ball über das Netz zu schlagen, wenn der Rücken zwickt.“
Was bleibt, ist keine Geschichte über Autos, sondern über das Leben und das, was wir davon bewahren. Über die Spuren, die wir hinterlassen und die Schatten, denen wir hinterherstolpern. Über die Liebe zu Dingen, die mehr sind als bloß Dinge. Sue und ihre Cadillacs sind Zeugen einer Zeit, in der wir noch glaubten, die Welt lasse sich mit Stil und Eleganz erobern. Heute rollt sie weiter – allein, mit dem Glanz des Vergangenen unter der Haube und dem Wind, der das bekannte Summen von Freiheit trägt.