Ein Machtspiel um ProSiebenSat.1
Es ist einer dieser rauen Herbsttage in München, an dem der Wind durch die Straßen peitscht und die ersten Blätter von den Bäumen tanzen. Die Stadt pulsiert in ihrer gewohnt geschäftigen Weise, während in einem der gläsernen Bürotürme in Unterföhring die Geschäfte um einen der größten deutschen Medien-Konzerne, ProSiebenSat.1, unerbittlich weitergehen. In den Vorstandsbüros, in denen Strategien ausgebrütet werden wie in einer schützenden Eierschale, brodelt es gewaltig. Zum Hintergrund: Zwei Giganten der Medienlandschaft kämpfen um Kontrolle – Silvio Berlusconi und die MFE-Mediaforeurope, das Medienimperium des italienischen Politikers.
Die Schatten Berlusconis werfen sich eindrücklich über die blauen Wellen des Senders, dessen Programmmitte von Hochglanzshows und Reality TV geprägt ist. Die MFE, erst vor Kurzem auf der Bildfläche erschienen, hat die 25,1 Prozent der Aktien zusammengekauft, die noch im Besitz einer anderen Holding sind. Das zeichnet die Anfänge eines heftigen Machtspiels nach, das sich nicht nur im finanziellen Raum, sondern auch in den Köpfen der Menschen abspielt. Zwei Großaktionäre streiten sich, während in den Wohnzimmern Deutschlands die Fernbedienungen gedrückt werden.
Szenenwechsel in eines der vielen Caféhäuser im Herzen Münchens. Hier, umgeben von dampfenden Tassen und dem leisen Klirren von Geschirr, diskutieren Journalisten über den derzeitigen Streit. „Könnte Berlusconi seine Fäden noch einmal so perfekt spinnen wie in den 90ern?“ fragt einer, die Stirn gerunzelt. Seine Kollegin, eine leidenschaftliche Medienkennerin, lächelt sarkastisch: „Seine Tricks werden im digitalen Zeitalter nicht minder skrupellos, aber die Zuschauer haben ein kurzes Gedächtnis.“ In diesen Gesprächen wird deutlich, dass der Medienthai oft nicht um die eigentliche Berichterstattung scheitert, sondern vielmehr um die zugrundeliegenden Menschen und deren Mentalitäten.
Ein wichtiger Aspekt des Konflikts ist die Identität der Zuschauer selbst. ProSiebenSat.1, das seit Jahren mit Erfolg durch verschiedenen Formate ein breites Publikum angezogen hat – von „Germany’s Next Topmodel“ bis zu „The Voice of Germany“ – steht in einem ständigen Wandel, immer mit dem Engagement eines Publikums, das zunehmend wählerisch wird. Die Dynamik zwischen den beiden Besitzern wird also nicht nur im Hintergrund der Zahlen entschieden, sondern auch darüber, wie man die Zuschauer in Zeiten von Streaming-Diensten und social media an die eigenen Angebote bindet.
Ein aktueller Trend scheint einen tiefen Einfluss auf die Verhandlungen zu haben: der Wandel der Fernsehkultur selbst. Während Berlusconi, ein Meister der Inszenierung, auf höchste Quoten und massenwirksame Inhalte setzt, drängt die MFE darauf, auch innovative Formate und digitale Lösungen einzuführen. In einem Interview mit einem angestellten Showrunner von ProSiebenSat.1 ist klar zu spüren: „Wir müssen uns neu erfinden, um relevant zu bleiben. Die Übernahme ist nicht nur ein finanzielles Spiel; es ist ein Wettlauf um Kreativität.“
In den nächsten Tagen wird die MFE ihr Angebot erhöhen – ein mutiger Schritt im Inneren eines Spiels, das nicht nur um Zahlen geht. Es fließen Millionen, und auf einmal verschwimmen die Grenzen von gewerblichem Erfolg, vl. gar von Ethik. Was geschieht mit einer Gesellschaft, deren kultureller Ausdruck zum Spielball von Eigeninteressen gemacht wird? Wo ist der Raum für Vielfalt, wenn die Entscheidungsträger – im jetzigen Fall Berlusconi und MFE – eine Art Formulierung des Geschmacks und der Gesellschaft normieren? Diese Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen der Zeitgenossen.
Es gibt eine Szene in den Vorstandsetagen, in der der leidenschaftliche Streit um die zukünftige Richtung des Unternehmens seine Höhepunkte erreicht. Die Luft ist geladen, wenn der Geschäftsführer seine Sicht der Dinge darstellt: „Wir stehen vor einer historischen Möglichkeit, die gesamte Medienlandschaft mitzugestalten! Wir dürfen keine Zeit verlieren, sonst wird die Zukunft uns überrollen.“ Diese Worte senden einen Schauer durch die Anwesenden, viele von ihnen von der Energie des Augenblicks gnadenlos gefangen.
Am Telefon erläutert Berlusconi einige Tage später seine Perspektive, gleichsam kaltes Kalkül und ungebrochene Leidenschaft: „Ich gehe nicht bei halben Sachen. Die Zuschauer vertrauen auf uns. Die großen Momente des Fernsehens liegen in der Hand derer, die die Geschichte am besten erzählen.“ Ein scheinbares Diktum, das nicht nur für seine Medien, sondern für die gesamte Branche eine inhaltliche Neubewertung verlangt. Die Frage bleibt: Inwieweit verschwimmt das Vertrauen der Bürger, wenn proprietäre Interessen über kulturelle Werte siegen? Ist es eine Renaissance der kreativen Freiheit oder der Beginn einer neuen Ära der Monopolbildung?
Unbemerkt von den Stürmen der Großkonzerne läuft das gesellschaftliche Leben in den Straßen Münchens weiter. In den kleinen Cafés entscheiden sich Menschen für ihr Lieblingsformat, während der Bildschirm über die Neuigkeiten der Welt berichtet. Im Hintergrund tobt ein Krieg um die Kontrolle über die narratives Macht. ProSiebenSat.1 ist nicht nur ein Unternehmen, es ist ein Puls der Gesellschaft, der zwischen den Fäden der Großaktionäre hin- und herschwingen wird, während die Zuschauer nicht länger nur passive Konsumenten, sondern kritische Akteure sind in diesem durch die Technologie zersplitterten Universum.
Das Tauziehen um den Medienkonzern ProSiebenSat.1 schafft eine Bühne, auf der der Kampf um Einfluss und Visionen sich entfaltet – in gewisser Weise ein Mikrokosmos unserer Zeit. Der Wettlauf um die Herzen und Köpfe wird der Zuschauer, der sich zwischen Smartphone und Fernsehgeräten bewegt, entscheiden. Und während die Kontrahenten sich rüsten, bleibt der Bildschirm der Ort, wo diese Geschichten erzählt werden.