Er schiebt die Hände in die Taschen, die Stirn in Falten, während er auf die Flugbahn der heruntergehenden Sonne blickt. Donald Trump weiß, dass nicht alles so läuft, wie er es will. Gerade nicht mit Indien. Dieses Land, prall vor Dynamik, Wachstum und ambitionierter Diplomatie, hat Trump in den vergangenen Monaten mehr Sorgen bereitet als sonst irgendein Partner – und das spürt man auch in den Fluren des Weißen Hauses. Indien, einst als ein Hoffnungsträger für eine neue Weltordnung betrachtet, scheint sich gerade jenseits der erhofften Allianz zu bewegen, und das irritiert den amerikanischen Präsidenten bis ins Mark.
Der Konflikt ist vielschichtig. Auf der einen Seite stehen die Handelsstreitigkeiten, deren freudige Schlagwörter wie “Zölle” und “Marktzugang” in den letzten Monaten zu erratischen Taktiken und Gesten der gegenseitigen Verärgerung wurden. “Warum sollen wir sie in unsere Märkte lassen, wenn sie uns wie einen Bettler behandeln?”, erklärte Trump jüngst in einem seiner typisch knappen Interviews. Er fühlt sich gekränkt, und mit Recht. Indien lässt amerikanische Agrar- und Industrieerzeugnisse kaum in großem Maßstab zu, während selbst kleine indische IT-Firmen in den USA eine ähnlich beharrliche Ablehnung erfahren. Ein ungleiches Verhältnis, in dem Trump das Gefühl beschleicht, über den Tisch gezogen zu werden.
Doch dieser Streit ist nur ein sichtbarer Kratzer auf einer tieferliegenden Spannung: Indiens umfangreiches Verhältnis zu Russland. Während die Weltgemeinschaft bemüht ist, Moskau nach dem Ukraine-Krieg zu isolieren, setzt Delhi auf eine geheime Balancierung – Waffenlieferungen, Kooperationen im Energiesektor, kultureller Austausch. Der Umschlagplatz Moskau–Neu-Delhi wirkt wie ein verpasster Ankerpunkt für Washington, dessen Nachrichtenkanäle zunehmend von Sorge und Misstrauen durchzuckt werden. In Nebelschwaden von Interesse und Loyalität, die sich schwer fassen lassen.
Bei einem Dinner in Washington erzählt ein hochrangiger Berater des Präsidenten unter der Bedingung der Anonymität von den Gesprächen hinter verschlossenen Türen: “India is trying to have it all – maintaining Russian ties while courting the U.S. That just doesn’t sit well with Trump.” Die Sorge reicht über die ausbleibenden Zugeständnisse im Handel hinaus. Es ist ein politisches Ränkespiel, in dem Indien versucht, seinen Platz in einer unübersichtlichen Weltordnung zu behaupten, während Washington die Frage aufwirft: Wer ist hier der Partner, auf den man zählen kann?
Gleichzeitig pulsiert Indiens Innenpolitik mit ihren eigenen Widersprüchen. Narendra Modi, der Premierminister, ist nationalistisch geprägt, rührt eine Mischung aus traditioneller Selbstbehauptung und modernem wirtschaftlichen Aufbruch zusammen. Für viele Inder bedeutet die Kooperation mit den USA Fortschritt und globale Anerkennung, doch gleichzeitig bleibt die Vertrautheit mit Russland eine politische und kulturelle Gewohnheit, tief eingesunken in die Staatsdefinition. Die duale Realität prallt mit der eindimensionalen Handelslogik Trumps unversöhnlich zusammen.
Im New Yorker Stadtteil Queens, wo ein multikulturelles, indisch-amerikanisches Netzwerk pulsiert, erzählt eine Unternehmerin von ihren Schwierigkeiten, auf der einen Seite amerikanische Hürden zu überwinden, aber auf der anderen Seite den Druck von Modi-getriebenen Erwartungen zu spüren: “Man muss überall helfen, Indien zu fördern, auch wenn das bedeutet, die Beziehungen zu Russland nicht abzubrechen.” Diese Pragmatik, im kleinen wie großen Maßstab, spiegelt den vielschichtigen, oft widersprüchlichen Charakter der amerikanisch-indischen Bindungen wider.
Die Fotografie, die jüngst durch die Medien ging, zeigt Trump und Modi bei einem Gipfeltreffen – lachend, in einer Szene von Vertraulichkeit. Doch hinter diesen Bildern ließe sich fast schon eine diffuse Spannung erkennen, die nicht ausgesprochen wird: Es ist nicht nur ein Konflikt der Politik, sondern auch ein Kampf der Narrative, der Erwartungshaltungen und nicht zuletzt von Persönlichkeiten, die mit ebenso viel Stolz wie Ungeduld agieren.
Jenseits der Schlagzeilen und politischen Erklärungen bleiben die Fragen, wie das Verständnis zwischen zwei so ungleichen Machtzentren wiederhergestellt oder neu definiert werden kann – und was das für eine Welt bedeutet, in der alte Allianzen auf ihre Belastbarkeit geprüft werden. Im Hintergrund summt das große Spiel weiter, mit all seinen Zwischentönen von Hoffnung, Misstrauen und dem Drang, den eigenen Kurs zu retten, bevor es zu spät ist.