In der frühen Dämmerung, wenn die Straßen noch feucht sind von der nächtlichen Kühle, fährt ein silberner VW ID.3 leise durch die Stadt. Die aufleuchtenden Lichter spiegeln sich auf der Karosserie und zeichnen ein futuristisches Bild, das jedoch bald der Vergangenheit angehören könnte. Volkswagen, der einstige Platzhirsch der Automobilindustrie, zieht einen Schlussstrich – nicht nur bei der Zahlenspielerei seiner Elektromodelle, sondern auch in der Wahrnehmung seiner Marke. Aus dem nüchternen ID.1, ID.2 und ID.3 werden nun wieder vertraute Namen: Polo, Golf und Tiguan.
Es ist eine Rückbesinnung auf Tradition, auf das, was die Herzen der Autokäufer seit Jahrzehnten höher schlagen ließ. Einmal sprachen die Namen für sich selbst, vermittelten Emotionen, Erinnerungen, sogar Generationen. Polo stand für die ersten Fahrstunden, die elterliche Anordnung, im Kleinwagen versiert zu werden, während Golf mit einer unvergleichlichen Vertrautheit auf den Straßen präsent war, als wäre er ein Freund, der nie vergeht. Die Entscheidung, zurück zu diesen Namen zu kehren, zeigt ein feines Gespür für die Gemütslage des Marktes – und des Konsumenten. In einer Zeit, in der die Automobilbranche von der Komplexität des Wandels und der Notwendigkeit zur Elektrifizierung geprägt ist, möchte VW wieder Nähe schaffen.
„Autos sind mehr als nur transportation tools. Sie sind ein Teil unserer Identität“, sagt der Produktmanager von Volkswagen in einem Gespräch, während er an einem Tisch im modernen Bürogebäude sitzt. Seine Anspannung ist spürbar – nicht wegen technischen Details, sondern etwas weit Wichtigerem: der Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Die Fragen, die er beantworten muss, sind nicht mehr nur funktionaler Natur. Die Menschen wollen Geschichten, Vertrautheit, erlebte Sicherheit.
Es gibt viele Wege, zu dieser Rückkehr zu gelangen. Ein Abend in der Heimatstadt von VW, Wolfsburg, zeigt das Gift der Nostalgie in vollem Umfang. Ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Willkommen in der Zukunft“ prangt über dem Eingang des Volkswagenwerks. Doch während die neuen, schimmernden Elektroautos auf dem Werksgelände stehen, sind in den Gesprächen der Mitarbeiter die alten Namen omnipräsent: „Ich habe die ersten Fahrzeuge dieser Reihe gefahren. Da war noch alles echt, das Fahren voller Charakter.“
In einem kleinen Café um die Ecke kommen die Stimmen zusammen. Hier sitzen Männer und Frauen, die früher ein Volkswagen-Fahrzeug besessen haben. Sie sprechen mit einer Leidenschaft über die Erlebnisse, die sie mit ihren Golfs oder Polos verbunden haben. „Es war mein erstes eigenes Auto“, erzählt ein älterer Herr, während er mit dem Finger auf eine in der Ecke abgestellte, gerostete Tragfläche zeigt. „Ich dachte, ich würde niemals einen anderen Wagen fahren.“ Die Vertrautheit mit den alten Namen schafft Gemeinschaft.
Der Schritt zurück zu den Klassikern hat allerdings seine Schattenseiten. Während der ID.3 noch vor wenigen Jahren als Durchbruch galt, könnte diese Abkehr von der „ID“-Philosophie auch so verstanden werden, dass VW den Herausforderungen der Elektromobilität nicht mit der gleichen Risikobereitschaft begegnen kann, die die Marke einst ausmachte. Der Gang über das Werksgelände in Wolfsburg ist ein Gang durch Erinnerungen und Innovation – man kann förmlich die Geister der ehemaligen Modelle spüren, die in den überdimensionierten Hallen zusammenkommen.
Der Reset hat auch mit dem Aufeinandertreffen der Generationen zu tun. In einer Welt, in der die potenziellen Kunden zwischen Großeltern und Enkeln variieren, sind die Klischees über das Autofahren verblasst. Wo die Älteren die Sicherheit und Vertrautheit der Namen suchen, sehnen sich die Jungen nach einem anderen Erlebnis: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und individuelle Anpassung. „Wir stehen an einem Wendepunkt“, fasst ein Kollege des Produktmanagers zusammen, „und wir werden alle auf unterschiedliche Art und Weise auf diesen Wandel reagieren.“
VW ist sich dieser Herausforderung bewusst. Dementsprechend ist die Kommunikation zur Namensänderung nicht nur ein Marketinginstrument, sondern eine Art Einklang mit den Werten der Vergangenheit und einem Bekenntnis zur Zukunft. Die offizielle Meldung aus der Zentrale spricht von der „Rückkehr zu Werten, die Vertrauen schaffen“. Es ist diese Art von Botschaft, die nicht nur die Massen bewegen soll, sondern auch Vertrauen in einer Zeit aufbauen möchte, in der alles unsicher scheint.
Doch was bedeutet das für die neue Generation von Fahrern? Für viele hat der elektrische Polo keine mehr Nostalgie in sich, sondern repräsentiert schlicht ein weiteres Model im unübersichtlichen Markt der E-Autos. Wenn sie den Schlüssel umdrehen, ist es die Verbindung zu ihrer Umwelt, die sie suchen – nicht nur die Erinnerungen der Eltern. Der Golf bleibt ein bewährter Begleiter, doch könnte er bald durch die neuen, selbstfahrenden Konzepte in den Hintergrund gedrängt werden.
Und dennoch, in der Dämmerung, als der ID.3 über die feuchten Straßen fährt, wird einer klar: Der Name ist eine Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft. Es ist die Hoffnung, die VW mit diesem Schritt einpflanzen möchte, eine Umarmung der Konsumenten, die ein Stück Heimat in jedem neuen Auto sehen wollen. Die Rechnung auf dem Tisch, das Autofahren bleibt ein emotionales Geschäft. Die Frage bleibt: Wird die neue Strategie den Geist der alten Marken einfangen können, oder wird sie blutleer in den bald verfügbaren Elektro-Modellen verenden? Die Zeit interessiert uns nicht – nicht in diesem Moment. Es ist der Weg, der zählt, und der Name, der ihn begleiten wird.