Smarte Hände im Dschungel: Wenn ein Buffett Familie und Kokainpflanzer zusammenführt
Die trockene Nase des Feldarbeiters bohrt sich tief in die schwarzgrüne Erde Kolumbiens. Unter der sengenden Sonne stehen hier Menschen, deren Alltag oft nur in wenigen Momenten durchbrochen wird – von den Hubschrauberrotoren des Militärs, von den Kettenhunden der Paramilitärs, vom summenden Apparat der Kokaernte. Doch heute steht Howard Buffett auf dieser schroffer werdenden Plantage. Nicht als Uniformierter, nicht als Reporter, sondern als Vermittler eines zarten Hoffnungsschimmers. “Wir versuchen, daran zu nagen”, sagt er leise über die Programme, die er mit Mitteln seiner Stiftung finanziert. Programme, die Koka-Bauern locken sollen, sich legalen Pflanzungen zuzuwenden: Kaffee, Kakao, Avocados. Alles, was nicht die Schattenwerte der Drogenwelt in sich trägt.
Howard Buffett – der Name trägt Gewicht. Nicht nur der eines Buffetts, sondern der eines Mannes, der sein Vermögen für etwas aufwenden will, was niemand in wenigen Monaten umgekrempelt sieht. Seine Stimme ist ruhig, fast ruhig inmitten der vibrierenden Matte des Dschungels, der undurchdringlich wirkt wie ein denkmalgeschützter Zustand der Gewalt. Hier lebt das tägliche Dilemma von Männern und Frauen, deren Hände oft mehr Krallen als Finger sind, gefangen im Komplex von Armut, staatlicher Vernachlässigung und der Verlockung schnellem Geldes.
Was heißt es eigentlich, aus der Koka zu fliehen? Zunächst: zu überleben. Denn diese Pflanze ist so viel mehr als nur ein Rohstoff für Kokain. Sie ist das Zentrum eines Systems, das tief verwurzelt ist in lokalen Ökonomien, sozialen Netzwerken, in der Manier, wie Menschen sich selbst und ihre Gemeinschaft organisieren. Wenn jemand wie Buffett mit seinen Programmen und Geldflüssen in dieses System eingreift, bricht er einen Zahn aus dem Getriebe oder baut vielleicht einen neuen Ast an einem alten Baum. Doch der Baum, der hier steht, ist ein schwerfälliger Koloss, dessen Wurzeln tief in Gewalt und Illegalität greifen.
Unter den Menschen, die wir treffen – José etwa, ein Mann Mitte dreißig, dessen Hände vom dauernden Zupfen der Koka-Blätter gezeichnet sind – zeigt sich das Dilemma in seinen Augen. “Ich will wechseln”, sagt er, “aber was, wenn das neue Feld nicht ausreicht für meine Familie? Was, wenn mir die Polizei auf die Pelle rückt, bevor ich ernte, was ich gepflanzt habe?” Man spürt die Unsicherheit, das Wiegen zwischen der Hoffnung auf Wandel und der Angst vor dem alten Leben, das ihm vertraut ist.
Buffetts Programme setzen genau hier an: Sie zahlen Vorschüsse, organisieren Schutz für neue Anbauer, binden technische Beratung ein. Doch zugleich hört man von mexikanischen Opfern, von kolumbianischen Dörfern, die zerfetzt sind von Zwischenhändlern und bewaffneten Gruppen, die jede Veränderung als Direktangriff auf ihre Einnahmequellen werten. “Wir sind ein Tropfen auf den heißen Stein”, sagt eine lokale Aktivistin, die anonym bleiben will. “Aber vielleicht sind Tropfen die Grundlage für den Fluss, der eines Tages diese Steine mitreißen kann.”
Der schwierige Balanceakt, Gewalt nicht neu zu entfesseln, bleibt Teil der Realität. Denn wer vom illegalen zum legalen Anbau wechselt, riskiert nicht nur Einkommensverlust, sondern auch Racheakte einer Organisierten Kriminalität, die ihr Terrain wahren will. In den Programmen spiegeln sich nicht nur Hoffnung auf nachhaltige Entwicklung, sondern auch das Ringen mit der eigenen Machtlosigkeit.
Und so steht Buffett auf diesem Feld, beobachtet die feuchten Blätter junger Maispflanzen, hört das Summen der Insekten und fühlt die hitzige Erde unter den Stiefeln. Er weiß um die Komplexität. Er weiß, dass niemand “das Problem” einfach wegrationalisieren kann. Was er tut, ist mehr als Philanthropie. Es ist ein Versuch, auf einem zerrissenen Kontinent Pflastersteine für eine andere Zukunft zu legen – trotzdem, oder gerade deshalb, weil das System sich nicht verändert, ohne Menschen, die wirklich umpflanzen.
In den Augen von José und den anderen Koka-Bauern ist der Wandel zugleich fremd und vertraut wie ein Messer mit zwei Klingen. Ihr Schicksal hängt nicht nur an Programmen, an Fonds oder politischen Statements. Es hängt an Wäldern, an der Ordnung zwischen Recht und Gesetz, an der Stadt, die weit weg ist und die diese Welt nur sporadisch versteht.
Und Howard Buffett? Er sieht seine Rolle als Kontinuum, keine Episode. Als jemanden, der die langen Schatten von Koka und Kokain nicht durch Blitzlicht durchbrechen kann, sondern mit der stetigen Lampe kleiner Investitionen und menschlicher Begegnungen einen Pfad freizustechen sucht. Ein Pfad, der die Frage offenlässt: Wie bewegt man sich in einem Land, das seine eigenen Wurzeln nie ganz befreit hat? Wie nähren sich Hoffnung und Realität im Schatten der Plantagen, in denen Entscheidungen schwerer wiegen als die Ernte selbst?