Im Schatten der Chips: Wie Lip-Bu Tan Chinas Halbleiterindustrie transformierte
Die Sonne bricht durch die Fenster des Sitzes von Walden International in San Francisco. Lip-Bu Tan, der Chef der riskanten Vielfaltsinvestmentfirma, schaut nachdenklich auf den geschäftigen Straßenverkehr hinunter. Hier, in der Hochburg des Silicon Valley, hat sein Unternehmen die Grundlagen für einige der bedeutendsten Namen in Chinas Halbleiterindustrie gelegt. Doch inmitten von Kaltem Krieg-Rhetorik und Geopolitik liegt eine Netz aus Unsicherheiten, das die Zukunft dieser Technologiebranche in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Vor nicht allzu langer Zeit war Tan ein gefeierter Pionier, dessen Investitionen in Unternehmen wie Tsinghua Unigroup und Himax Technologies als Katalysatoren für das Wachstum der chinesischen Tech-Industrie galten. Diese Firmen sind nicht nur mit der Entwicklung von Mikroprozessoren für Smartphones und Laptops betraut, sondern auch mit der Vision, Chinas Unabhängigkeit in der globalen Halbleiterproduktion zu sichern. Eine Vision, die nun unter dem Druck internationaler Spannungen mehr und mehr zur Illusion zu werden droht.
„Wir haben in die Zukunft investiert – eine Zukunft, in der technologische Souveränität nicht nur ein Ziel, sondern eine Notwendigkeit ist“, sagt Tan. Der Satz hängt schwer in der Luft, als wir uns in seinem Büro treffen, um über seine Investments und die wachsenden Herausforderungen zu sprechen, die diese mit sich bringen könnten. Während die USA und China in einem technologischen Wettlauf um Herrschaft kämpfen, scheinen die einst so erfolgreichen Investmentstrategien von Tan in einen Drahtseilakt zu münden.
Ein Blick auf die aktuellen Ereignisse verdeutlicht das Dilemma: Die Biden-Administration hat eine Reihe strenger Exportrestriktionen eingeführt, die amerikanischen Firmen die Zusammenarbeit mit chinesischen Halbleiterherstellern erschweren. Das Ziel? Die technologische Überlegenheit der USA zu sichern. Chinesische Unternehmen, die auf westliche Technologien angewiesen sind, sehen sich in die Enge gedrängt. Für Tan und seine Investitionen hat sich die Landschaft schlagartig verändert. „Früher haben wir nach Innovationen gesucht; jetzt sind wir erhaltenen ‚Existenzkämpfen‘ konfrontiert“, reflektiert er.
So dämpfen aktuelle politische Entscheidungen die Hoffnungen auf eine florierende chinesische Halbleiterindustrie. Für die Technologiefans ist dies eine bittere Pille, auch wenn bei den Nutzern auf der ganzen Welt kein unmittelbarer Verlust zu spüren ist. „Ich denke oft an die ausgebildeten Ingenieure in China, die talentiert und hungrig nach Wissen sind, die jedoch von diesen Restriktionen betroffen sind. Es ist nicht nur ein Verlust für die Industrie, sondern auch für Zivilisation und Fortschritt“, sagt Dr. Anna Li, Halbleiterexpertin und Beraterin bei mehreren Start-ups in Peking. Ihre Worte spiegeln das Gefühl wider, dass Technologie weit mehr ist als nur Geräte – sie ist ein kulturelles Bindeglied, das zwischen Nationen und Menschen vermittelt, deren Möglichkeiten sich nun dramatisch verwandeln.
Die Ironie dabei ist, dass viele der erfolgreichen Unternehmen, in die Tan investiert hat, direkte Aufträge für weltweit führende Marken aus den USA abwickeln. Ihre Chips stecken nicht nur in Smartphones, sondern auch in High-Tech-Gadgets, die von Millionen von Menschen in den USA und Europa genutzt werden. Tagsüber in hochmodernen Fabriken gefertigt, ruhen sie nachts nachts oft im Dunkeln jener Schubladen, in denen Träume von technologischem Fortschritt lagern.
„Wir können die Innovation nicht nur am Standort Silicon Valley messen, sondern auch an den globalisierten Produktionslinien, in denen sie Realität wird“, merkt Expertenanalystin und Tech-Vorstand Clara Wu an. Das suggeriert, dass die geopolitischen Spannungen nicht nur nationale Grenzen und Unternehmen betreffen, sondern auch das gesamte Ökosystem technologischer Entwicklung – inklusive der Verbraucher, die letztlich daran glauben, dass diese Innovationskraft der Welt zugute kommt.
Und während diese Verkettungen von Abhängigkeiten die Karten auf alte Art und Weise neu mischen, bleibt die Frage, wie und wo sich Chinas Halbleiterindustrie hinbewegen wird. Eine Rückkehr zur Hoch-Zeit der Vielfaltsinvestitionen von Tan in die chinesische Chipindustrie könnte unter den sich verändernden Marktbedingungen und politischen Winden nur zurückhaltend erfolgen. Schichten von Unsicherheit und neue Handelshemdchen scheinen die Dynamik der Branche zu verhindern.
„Der technologische Wettlauf ist noch lange nicht vorbei, aber wir müssen uns darauf vorbereiten, dass unsere Partnerschaften transformiert werden müssen, wenn wir in dieser neuen Realität bestehen wollen“, sagt Tan abschließend, während er auf den Bildschirm blickt, auf dem innovative Projekte seiner Portfoliounternehmen abgebildet sind. Sein Blick reflektiert sowohl Hoffnung als auch den Schattensatz der gegenwärtigen Politik.
In einem internationalen Tech-Ökosystem, das fortlaufend dynamisch ist, könnten sich die Perspektiven zu einem destabilisierten Gleichgewicht entwickeln. Während die Chips weiter gefertigt und verschifft werden, bleibt die offene Frage, wer am Ende die Kontrolle über die Technologie und damit über die Zukunft haben wird. Der Tanz zwischen Amerika und China, zwischen Innovation und Regulierung, ist noch lange nicht verkürzt.