Ethan Hawke am Rande der Zeit: Ein Porträt zwischen Ruhm, Familie und künstlerischer Suche
Als Ethan Hawke an diesem kühlen Herbstmorgen ein kleines, beengtes Café in Brooklyn betritt, ist er auffallend früh dran – fünfzehn Minuten vor dem verabredeten Termin. Der Schauspieler mit den durchdringend blauen Augen zieht den Kordanzug gerade, streicht sich die blonden Haare aus der Stirn und nimmt Platz an einem der wenigen noch freien Tische. Sein Outfit wirkt widersprüchlich, eine Mischung aus lässiger Eleganz – ein abgetragener blauer Cordanzug – und verspielter Ironie, sichtbar an den gelbgestreiften Turnschuhen. Ein Stil, der zu Hawke passt, der es nie eilig hatte, sich zwischen Hollywood und künstlerischem Anspruch festzulegen. Er bestellt einen Arnold Palmer und einen Rucola-Salat, die Hände greifen beiläufig nach den Strohhalmen und fangen kleine Salatblätter auf, als wolle er jede Gabel auch mit Fingern spüren.
Man sieht ihm das Alter an, die feinen Falten in der Stirn, die grauen Haare in Bart und Schläfen, doch die Augen bleiben frisch und hungrig, als wären sie stets bereit, hinter der nächsten Biegung des Lebens etwas Neues zu entdecken. Mit 54 hat Hawke einige Jahrzehnte in der Filmwelt hinter sich, und dennoch wirkt er nie so, als wäre er auf dem Höhepunkt seines Ruhms stecken geblieben. „Wenn man erstmal Kinder hat, realisiert man nicht sofort, wie vergänglich das alles ist“, murmelt er, während er von seiner Familie erzählt – seiner Frau Ryan, mit der er fast 20 Jahre verheiratet ist, und den vier Kindern im Alter von 14 bis 27 Jahren, zwei davon aus der Ehe mit Uma Thurman. „Ich versuche, nichts zu verpassen.“
Diese Worte, so beiläufig gesprochen, sind kein bloßes Geständnis routinierter Elternschaft, sondern viel mehr ein Mantra über die wankende Zeit, die uns alle eingeholt hat. Und es ist die Zeit, die über Hawkes Karriere hinweggeschwebt ist, nicht wie ein Triumphzug, sondern eher wie ein beständiger Fluss, dessen Ufer man nicht immer sehen kann.
Ethan Hawke ist seit Ende der 1980er Jahre bekannt – ein Gesicht, das mit den Jahren nicht verblasste, sondern vielmehr die Konturen immer deutlicher zeichnete. „Dead Poets Society“ war sein erster großer Auftritt; der Film brachte ihn ins Licht der Öffentlichkeit, doch der endgültige Durchbruch erfolgte 1994 mit „Reality Bites“, einem damaligen Generation-X-Kultfilm, der ihn zur Stimme einer zerrissenen Jugend machte. Plötzlich war er nicht mehr nur der Junge aus den „Toten Dichtern“, sondern „der Typ aus Reality Bites“, wie er es selbst beschreibt. Rolling Stone setzte ihn auf das Cover, als er in den 90ern auf Wellen reiten konnte, die Eddie Vedder und Grunge durchs Land jagten.
Doch spätestens hier endet das übliche Hollywood-Märchen. Während viele seiner Altersgenossen den Boulevardweg wählten – Sommerblockbuster, Parfümverträge, Hochglanzmagazine –, entschied sich Hawke für das, was manch einer als den „kleinen Umweg“ im Rampenlicht bezeichnen würde: Hardcore-Kulturarbeit und künstlerische Selbsterforschung. Romane schreiben, Theaterstücke inszenieren, Shakespeare auf Broadway spielen und eigene Filme drehen – etwa über das legendäre Chelsea Hotel. „Manche streben danach, reich zu werden und ein Flugzeug zu besitzen“, sagt Hawke mit einem Funken Trotz in den Augen. „Ich wollte Menschen treffen, die wirklich etwas zur Kunst beitragen.“
Dieses stille Anderssein war anfänglich kein Garant für Kassenrekorde, aber eine Investition in das, was lange Bestand haben sollte: eine tiefere, nachhaltige Kreativität. Und tatsächlich hat sich diese Haltung, von manchem Kritiker als leise Exzentrik abgetan, als idealer Kompass für das digitale Zeitalter erwiesen. Bei Plattformen wie Letterboxd, wo Jugendliche jeden Lieblingsfilm akribisch katalogisieren, wird Hawke nicht als vergessener Star von gestern verehrt, sondern als zeitlose Ikone, deren Kunst nicht vom schnellen Ruhm, sondern von echter Leidenschaft getrieben wird. „Ich bin ein glühender Optimist“, sagt Hawke, „auch wenn das manchmal hochnäsig klingen mag. Es ist viel besser, als zynisch zu sein. Zynismus zerbricht dir die Kniescheiben.“
In diesem Herbst zeigt Hawke einmal mehr seine Vielseitigkeit. Er schlüpft als finsterer Gegenspieler in die Horrorfortsetzung „Black Phone 2“, taucht in das intensive Fernseh-Drama „The Lowdown“ ein und lebt die Rolle einer kleinen Broadway-Legende in „Blue Moon“, unter der Regie von Richard Linklater. Linklater, ein langjähriger Wegbegleiter, verkörpert für Hawke mehr als nur einen Kollegen. Seit ihrer Begegnung 1993, als sie bis in die frühen Morgenstunden über Filme und das Leben sprachen, verbindet sie eine seltene künstlerische Harmonie. Aus diesem Treffen entstand „Before Sunrise“, ein kleines Meisterwerk, das ohne große Effekte mit der simplen Idee von zwei Fremden, die sich in Wien begegnen, Herzen berührte.
„Ich habe mich nie als ‚Filmstar‘ bezeichnet“, sagt Hawke fast widerwillig, „ich war dagegen allergisch.“ Und so hat er, über Jahrzehnte hinweg, lieber die Ecken ausgesucht, die andere ließen liegen – die Rollen, die nicht unbedingt das Rampenlicht suchen, aber die Seele zum Leuchten bringen. Ein Schauspieler, der sich nicht den vorgefertigten Wegen der Branche beugt, sondern seinen eigenen Verlauf sucht, und dabei – ganz nebenbei – das Glück hat, nicht nur eine Rolle im Film, sondern auch im Leben seiner Kinder zu spielen.
Vielleicht ist das die eigentliche Kunst bei Ethan Hawke: Nicht nur auf der Leinwand jemand zu sein, sondern immer wieder auch die Rolle zu spielen, die Zeit selbst herauszufordern – mit all ihren zerbrechlichen Momenten und großen Fragen. In einem kleinen Café in Brooklyn, in einem blauen Cordanzug und mit schmutzig-gelb gestreiften Turnschuhen. Ganz nah bei sich. Ganz nah bei denen, die ihm am wichtigsten sind.