Der König der Kanaren: Wolfgang Kiessling und sein Imperium im Schatten der Kritik
Die Sonne sinkt langsam hinter die Hügel von Gran Canaria, und die Temperatur ist perfekt, als Wolfgang Kiessling auf der Terrasse seines prächtigen Anwesens sitzt. Der Ausblick auf den Atlantik, dessen Wellen sanft gegen die Felsen plätschern, ist nicht nur eine Kulisse, sondern auch eine Metapher für seinen Aufstieg. Hier, auf dieser kleinen Insel, hat der gebürtige Deutsche ein Imperium aus Freizeitparks, Hotels und Attraktionen geschaffen, das ihn zu einem der reichsten Einwohner Spaniens gemacht hat.
Doch Kiesslings Geschichte ist mehr als nur das klassische Märchen vom Tellerwäscher zum Millionär. Seine Biografie ist durchzogen von einem unternehmerischen Wagemut, der in den 1990er Jahren ins Rollen kam, als er den ersten Schritt in die Welt des Tourismus wagte. Zu dieser Zeit war Gran Canaria ein Geheimtipp für Sonnenhungrige aus Deutschland. Kiessling erkannte das Potenzial dieser Destination und investierte in Freizeitparks, die mit tierischen Attraktionen, Wasserparks und Erlebniswelten locken sollten. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Familien strömten auf die Insel, und ihr Lob über die Parks verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
„Ich wollte etwas schaffen, das mehr ist als nur ein Park“, sagt Kiessling mit einem entschlossenen Funkeln in den Augen. „Es sollte ein Erlebnis für die ganze Familie sein. Ein Ort, an dem Erinnerungen geschaffen werden.” Mit diesen Erinnerungen hat er nicht nur die Herzen der Touristen gewonnen, sondern auch eine wirtschaftliche Basis geschaffen, die den Kanarischen Inseln Stabilität und Wachstum brachte.
Doch die Medaille hat zwei Seiten. Wo das Licht der Begeisterung scheint, werfen Schatten dunklerer Töne ihre Konturen. In den letzten Jahren haben Tierschützer und Tourismuskritiker verstärkt gegen Kiesslings Geschäftsmodell mobil gemacht. Vor allem seine Tierhaltung in den Parks sorgt für Aufregung. „Die Tiere sind Teil des Erlebnisses, aber sie sind nicht dafür geschaffen, in Gefangenschaft zu leben“, erklärt Maria, eine Aktivistin, die regelmäßig gegen die verschiedenen Freizeitparks demonstriert.
Die Stadt, die einst als Paradies für Touristen galt, sieht sich nun einem inneren Konflikt gegenüber. Der Hauch des Luxus, den Kiessling so kunstvoll in Szene setzt, hat seine Schattenseiten. Es gibt Stimmen, die warnen, der Massentourismus verschlinge die Identität und den Charakter des Inselbewohners. Auch in Kiesslings Parks entblößt sich ein Dilemma: Der wirtschaftliche Segen, den er den Kanaren gebracht hat, steht im Kontrast zu den natürlichen Lebensräumen, die, um Platz für seine Vision zu schaffen, verstärkt zurückgedrängt wurden.
An einem sonnigen Nachmittag, während eines Besuchs in einem seiner Parks, wird dieses Dilemma besonders deutlich. Kinder lachen, während sie mit bunten Wasserkanonen umherspritzen; Eltern genießen Cocktails in der Nähe des Wellenbads. Gleichzeitig zieht eine Gruppe von Tierschützern mit Bannern vorbei und ruft: „Freiheit für die Tiere!“ Kiessling scheint unbeeindruckt, als er in einer Videobeitrag für seine Social-Media-Kanäle posiert. „Wir haben ein Herz für die Tiere“, sagt er, als wäre dies eine universelle Wahrheit, die allein seine Sicht auf die Dinge rechtfertigt.
„Die Menschen haben sich daran gewöhnt, Unterhaltung in Form von Tiershows zu konsumieren“, meint Maria. „Aber das sollte nicht auf dem Rücken der Tiere geschehen.“ Die Diskussion über Tierrechte hat in der Gesellschaft stark an Bedeutung gewonnen, und das ist für Kiessling eine Gefahr. Jedes neue Video, jede neue Protestaktion schränken sein Geschäft ein. Der König der Kanaren könnte sich schnell zum König im Exil verwandeln, wenn die öffentliche Meinung schwenkt.
Die Kritik wird zunehmend lauter, nicht nur aus Tierschutzkreisen. Auch einige Touristen, die Kiesslings Parks besuchen, wachen allmählich auf. Man hört sie murmeln: „Ich hätte nicht gedacht, dass das so direkt mit Tierschicksalen verbunden ist.“ Die Netzwerke verbreiten sich schnell und mit ihnen die Fragen nach ethischen Standards im Tourismus. Kiessling, mit seiner schier unerschütterlichen Überzeugung, dass seine Art des Tourismus den Kanaren guttut, steht vor der Herausforderung, sich den sich wandelnden Werten einer aufmerksamen Gesellschaft zu stellen.
Die Aufgabe, die er nun hat, ist nicht nur die der Schadensbegrenzung. Es ist eine kritische Auseinandersetzung mit seinem eigenen Erbe und dem, was er für die Kanaren noch erreichen möchte. „Wir müssen uns ständig weiterentwickeln“, sagt er, als sähe er hinter der Kulisse die drängenden Fragen, die sich ihm stellen. „Der Erfolg ist nur so lange nachhaltig, wie wir uns anpassen.“ Und das ist mehr als die bloße Anwendung betriebswirtschaftlicher Prinzipien – es geht darum, sich aktiv für eine harmonische Koexistenz mit der Natur und den Lebewesen drumherum einzusetzen.
Die Sonne ist nun untergegangen, und die Lichter der Parks erhellen die Nacht. Die Geräusche der Fahrgeschäfte und der fröhlichen Stimmen dringen durch die Luft, aber in dieser Atmosphäre des Feierns schwingt auch etwas anderes mit: eine Unsicherheit. Eine Frage, die nicht nur Kiessling betrifft, sondern die ganze Gesellschaft herausfordert: Was bedeutet Fortschritt in einer Welt, die immer bewusster wird, was auf dem Spiel steht? In diesem Spannungsfeld wird sich zeigen müssen, ob Kiessling und sein Reich auf den Kanaren in der Lage sind, einen neuen Weg einzuschlagen.