Peking, ein Ort voller Geschichte, wo Tradition und Macht mit jedem Schritt spürbar sind. Am Reichstagsplatz, dem Herz der chinesischen Hauptstadt, versammeln sich Hunderte von Farbpunkten in Uniform, die in perfekter Formation stehen. Die Sonne steht hoch am Himmel, ihre Strahlen prickeln auf die zahlreichen Uniformen, die allesamt eine Geschichte erzählen – von Dienst, Ehre und dem unerschütterlichen Glauben an den sozialistischen Traum Chinas.
Die Luft ist erfüllt von einer Mischung aus Erwartung und Nervosität. Hier, wo die Zentrale der kommunistischen Partei thront und wo der Tiananmen-Platz unzählige Male Zeuge großer Umwälzungen war, stehen die Staatsgäste in der ersten Reihe: Kim Jong Un mit seinem festen Blick und Wladimir Putin, dessen Miene in die Ferne schweift, beide zusammen ganz in der Tradition der Machtdemonstrationen. Heute ist kein gewöhnlicher Tag, sondern ein Fest, das jeder Propaganda vom Dienste der Nationalstolzes gleichkommt. Ein Moment des Schauens.
„Zeig uns, was du kannst“, murmelt jemand aus dem Publikum. Die Worte hallen kaum gegen die wuchtige Architektur der Umgebung, aber sie tragen eine tiefere Wahrheit in sich – die chinesische Regierung hat etwas zu zeigen. Über drei Stunden lang wird das Spektakel von modernster Militärtechnik, glanzvollen Paraden und akribisch choreografierten Marschierungen der Soldaten geprägt. Eine Vorstellung, die es mit jeder Militärpräsentation der Welt aufnehmen kann.
Die ersten Panzer rücken auf dem Platz an, quadratische Kolosse aus Stahl, die die Gegner des Staates mit einem einzigen Blick niederdrücken könnten – so vermittelt es das Narrativ. Ein Geschichtenerzähler, mutmaßlich ein Offizier, hat sich in den Kopf gesetzt, dass dieses Bild von Stärke Amerika und seine Verbündeten, die ohne jeden Zweifel im Publikum sitzen, in Angst versetzen soll.
„Wir sind nicht nur hier, um zu zeigen, was wir haben. Sondern auch, um zu zeigen, wer wir sind“, verkündet ein hoher Militär mit lauter Stimme, während die Reihen der Soldaten wie ein lebendiges Bild der Einheit wirken. In diesem Moment verschmilzt das Individuum mit dem Kollektiv. Niemand ist mehr allein, jeder ist Teil eines größeren Plans – einer Vision von Einfluss.
Die Flagge Chinas, ein rotes Banner, das die Ideologien des Landes symbolisiert, wird unter das beeindruckende Wolkenmeer der Parteiflaggen gehisst. Um die Staatssymbole gruppieren sich die Anführer, die ihre eigenen politischen Narrative in verschiedenen Teilen der Welt leben, alle als gleichwertige Akteure in einem geopolitischen Schachspiel. Und doch, während eine mechanische Panzereinheit über den Platz rollt, spürt man: Diese Vorstellung hat nicht nur das Ziel, zu beeindrucken, sondern auch zu übermitteln: „Wir sind bereit“.
„Präsident Xi Jinping“, so hören wir die Stimme des Sprechers über die Lautsprecher dröhnen, als er den aktuellen Kurs des Staates erklärt, der auf „Wohlstand für alle“ ausgerichtet sei. Eine Zukunft voller Möglichkeiten, in der jeder Chinesisch Sprechen kann, auch als Erbe eines von Konflikten, sogenannten „ungerechten Zwangs“, durchzogenes Erbe. Es gibt keinen Raum für Erinnerungen an Proteste und Aufstände, die hier erdrückt wurden. Stattdessen gibt es die klare Botschaft: China blickt nach vorne. Widerstand wird im Keim erstickt, Vertrauen im Kollektivgeiste gefördert.
Blick auf die ersten Reihen: Kim und Putin nicken in regelmäßigem Takt, in der Stille der Bewunderung, die für Machenschaften auf mehr als nur konventionelle Weise zelebriert wird. Letztendlich müssen diese Staatsoberhäupter auch die aufgeladenen Emotionen ihrer eigenen Länder in den Griff bekommen. Eine schüchterne Form des symbolischen Schulterschlusses zwischen den Mächten, die im Schatten von Sanktionen und internationalen Beziehungen stehen, wird sichtbar.
Als die Parade sich entfaltet und endlose Reihen von Truppen, Raketensystemen und neuen Waffentechnologien vor dir vorbeiziehen, wird die Frage klar: Was hat das Land international für eine Rolle vorgesehen? Die Antwort ist nicht in dichten Reden zu finden, sondern in der visuellen Pracht, die das Szenario direkt aufwirft. Schaut her, fragt sich der Zuschauer, aber wer möchte sich diesem schüchternen Blick nicht beugen?
Peking – eine Stadt, die nicht nur lehrt, sondern auch entschlossen ist, das Erbe ihrer Kultur und Identität zu verteidigen. Inmitten dieser beeindruckenden Demonstration von Militärmacht, die perfekt inszeniert ist, gibt es für den einzelnen Bürger das stille Verständnis: dass Sicherheit und Wohlstand oft zu einem Preis kommen, den nicht alle bereit sind zu tragen.
So schließt der Vorhang für einen weiteren Augenblick in Pekings Geschichte, geprägt von dem Bewusstsein, dass die Macht der Nation nicht nur auf dem seine Wurzeln ausgräbt, sondern sie auch stetig umgibt. Der letzte Panzer zieht vorbei und während die Zuschauer applaudieren, stellt man sich die Frage: Was wird als Nächstes sichtbar? Ein weiterer Schritt in die Zukunft, oder der bewusste Rückschritt in die Vergangenheit? Die Antwort bleibt im Spiel der Macht verborgen.